Ich wollte Liebe und lernte hassen
wie es sich gehörte.
Mutti kam den ganzen Tag nicht aus dem Schlafzimmer, und ich machte mit Sigi das ganze Geschäft alleine. Pappa fragte mich, wo Mutti sei, und ich sagte ihm, daß sie den ganzen Tag über im Schlafzimmer gewesen sei. Das stellte ihn irgendwie zufrieden, und er fing an, mit mir zu handeln, indem er mir genauso wie Ralf vorwarf, daß wir Schweine wären, weil hier alles aussah wie im Schweinestall. Dann mußte ich ihm noch einen doppelten Gedoppten bringen. Ich hatte solch eine Wut in mir, daß ich dieses Mal gegen meine Prinzipien verstieß, denn ich haute ihm eine geballte Ladung K.o.-Tropfen in seinen Gedoppten. Also ich persönlich hätte das Ding nicht saufen wollen, ich glaube, ich wäre nicht mehr aufgestanden.
Ich gab Pappa das Glas und er donnerte das Gesöff in einem Zug seine Kehle hinunter. Er merkte nicht, daß K.o.-Tropfen drin waren, und verlangte gleich noch einen. Er moserte zwar immer noch rum, als ich mit dem dritten Glas kam, und ich dachte mir, beim nächsten Glas verpaß ich ihm noch einen Hammer, aber das erübrigte sich, denn er schlief auf dem Sofa ein. Er kam nicht einmal mehr bis ins Schlafzimmer, um sich in sein Bett zu legen.
Am nächsten Tag machte sich dann im ganzen Dorf das Gerücht breit, das ja auch stimmte, daß der Kreuzwirt seiner Alten auf die Schnauze gehauen haben soll. Die Leute, die ins Lokal kamen, tuschelten natürlich miteinander, aber man konnte nichts dagegen machen, und so war es mir auch scheißegal, was die Leute sagten.
Mutti machte natürlich Propaganda, denn am Stammtisch erzählte sie jedem der Arschlöcher, die öfters zu uns kamen, daß Pappa sie totschlagen wollte. Ich fragte mich, was denn die Leute unsere Familienangelegenheiten angehen, und ich kam auf des Rätsels Lösung, nämlich daß es die gar nichts angeht.
Naja, mir wars jetzt egal, und ich kümmerte mich nicht groß darum und hörte auch nicht zu, wenn Mutti eine Horror-geschichte von Pappa erzählte.
Ich rief öfters Sonja an und wir machten unsere Späßchen am Telefon, obwohl mir manchmal zum Spaßen gar nicht zumute war. Aber Sonjas Stimme baute mich ein bißchen auf, und ich vergaß ab und zu für ein paar Minuten die ganze Scheiß-
stimmung, die zu Hause herrschte.
Mutti und Pappa gingen sich aus dem Weg, soweit es nur möglich war. Sie sprachen kaum ein Wort miteinander, auch wenn Pappa mal den ganzen Tag zu Hause war. Sie sprachen nur das Nötigste und Mutti verpaßte Pappa K.o.-Tropfen, daß es mich wunderte, daß er ab und zu sogar noch wach war und arbeiten ging. Wenn irgend etwas vorkam fielen ein paar harte Bemerkungen, und Mutti zog dabei immer den kürzeren, denn sie mußte nachgeben, sonst hätte sie bestimmt die Hucke vollbekommen.
Dann fing die Schule wieder an und ich war froh, daß ich wenigstens für ein paar Stunden am Tag aus diesem Affenstall von Streiterei, Rumnörglerei und Aufstichelei raus war. Für mich war es eine Wohltat zur Schule zu gehen, nicht um zu lernen, sondern um ein wenig auszuspannen und das Zuhause für ein paar Stunden zu vergessen. Es war irgendwie zuviel für mich, und Mutti glaubte immer, daß ich zu Pappa hielt, nur weil ich sein Lieblingskind bin, so wie er immer sagte. Er nahm mich auch härter ran, denn er erwartete von mir viel, und wenn mal etwas nicht zufriedenstellend war, gab es auch immer Ärger, denn ich sollte ja so etwas wie ein Musterknabe sein. In der Schule konnte ich nur ganz selten abschalten, denn ich mußte oft an zu Hause denken. Vom Unterricht bekam ich so gut wie gar nichts mit, denn ich war mit meinen Gedanken immer wo anders, und wenn mich Frau Riegelsberger mal etwas fragte, konnte ich ihr nicht antworten, da ich die Frage gar nicht gehört hatte. Das war natürlich nicht gerade gut für meine Noten. Dann kam eines Tages ein Neuer in die Klasse.
Er sah schlampig aus und sah auch ziemlich verwegen drein.
Ich schloß mit ihm Freundschaft, und er erzählte mir, daß seine Eltern beide Säufer seien und sich manchmal fast totschlagen.
Ich erzählte ihm auch von mir zu Hause, und da stellten wir fest, daß wir beide nicht gerade das beste Elternhaus haben.
Eines Tages, als ich mit Sonja hinter der Schule stand, kam Raphael, mein neuer Freund und Klassenkamerad, zu uns. Er merkte sofort, daß Sonja und ich miteinander gingen, und er war so korrekt, keine Witze darüber zu machen, und auch den anderen nichts davon zu erzählen. Im Gegenteil, er wünschte mir sogar viel Glück mit Sonja und er sagte, so
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