Ich wollte Liebe und lernte hassen
daß ich zu Pappa halte, und wenn ich mal etwas mitkriegen würde, daß ich vor lauter Angst nicht die Schnauze aufmachen täte. Sie hatte auch nicht eine einzige Fahrstunde genommen in der Fahrschule, das war nur als Ausrede, damit sie mit ihrem Typ, der Heinz hieß, zusammen sein konnte. Das Geld damals aus dem Sparbuch hatte Mutti mir ebenfalls geklaut, denn sie hatte es Ralf gesagt. Ralf hatte deshalb nur so wenig Schläge bekommen, weil er von Muttis Machenschaften wußte.
Aber dafür hatten Uwe und ich eine ganze Menge mehr bekommen, und Pappa war zum großen Teil nur ihr Werkzeug.
Er bekam angeblich auch etwas für das, daß er mich ausspielte bei Mutti, indem er ihr alles erzählte, was ich sagte und tat, wovon sie nicht wußte.
Das also hatte Mutti alles gemacht, und nun wußte ich auch, wer damals an den Bremsen rumgemacht hatte. Es war Heinz, Muttis heimlicher Freund, und er holte von ihr den Schlüssel für den Wagen, denn dieser Heinz verstand etwas von Autos, ich hatte schon gesehen, wie er seinen Wagen selbst reparierte.
Also hatte man versucht, Pappa umzubringen, und wenn das geklappt hätte, wäre ich mitgestorben.
Ralf erzählte mir die ganze Geschichte, und nun wußte ich, daß ich praktisch nur existierte, weil ich zufällig auf die Welt gekommen bin, und Mutti hatte mich, Uwe, Ralf und Daniela niemals richtig geliebt, wenn überhaupt, so wie eine Mutter ihre Kinder normalerweise liebt. Wir waren nur für die Arbeit da. Man hat uns beklaut, geschlagen und gegeneinander ausgespielt und zuletzt weggeworfen wie ein Stück Dreck, das man nicht gebrauchen kann.
In mir brach eine Welt zusammen. Aber zum Glück waren wir Geschwister ja noch zusammen, und ich war Ralf nicht einmal böse für das, was er getan hat. Es waren meine Geschwister und sie werden es für mich auch immer bleiben.
Mutti kam auch die nächsten Tage nicht nach Hause, nur ihr Typ, der Heinz, kam einmal und holte ihre Kleider ab. Dabei erfuhr ich, daß Mutti ihre Flucht schon geplant hatte, aber auch das nur durch Zufall, da ich Inge und Heinz heimlich zuhörte, wie sie miteinander sprachen. Dadurch erfuhr ich auch, daß sie nicht mehr zurückkommen wollte, und Inge nun alle Vollmachten über uns hätte, und daß Mutti sich deswegen noch bei Inge melden würde.
Daniela weinte nun öfters, da sie Mutti vermißte, und ich hatte sie dann auf meinem Schoß sitzen und mußte sie trösten.
Es zerriß mir manchmal das Herz, wenn ich den kleinen schluchzenden Körper auf dem Schoß hatte und meine kleine Schwester trösten mußte. Sie klammerte sich dann meistens an mir fest, und ich war für sie praktisch eine Ersatzmutter.
Uns Geschwister verband nun ein Band, das man fast nicht zerreißen konnte, allerhöchstens zerschneiden, und das wäre furchtbar gewesen. Ja, ich hatte meine Schwester trockengelegt und auch zum Teil aufgezogen, und ich hing an ihr und sie an mir. Ich brachte sie nun jeden Abend zu Bett und wartete bis sie eingeschlafen war, denn sie hatte Angst, daß ich eines Morgens vielleicht auch nicht mehr da sein könnte. Nach fast einem Monat war Mutti immer noch nicht da, und das einzige, was ich von ihr wußte, war, daß sie vier oder fünfmal mit Inge telefoniert hatte und daß es ihr gut ging.
Ralf, Uwe und ich ließen uns nicht viel von Inge sagen, denn sie war eine Schlampe und eine Säuferin noch dazu. Sie vögelte nur mit ihrem Hannes rum und machte was sie wollte, denn sie war ja nun die Chefin im Hause, wie sie sagte. Aber wir akzeptierten sie nicht als Chefin, und als sie einmal Hand an Ralf legen wollte, war der Ofen ganz aus und sie wurde nur noch geduldet.
Eines Tages kam vom Jugendamt Konstanz ein Mann mit Namen Hinck. Er sprach mit Inge, und dann erzählte er meinen drei kleineren Geschwistern, daß sie ins Heim kommen sollten.
Als ich das hörte, traf mich der Schlag, und ich wußte nicht, was ich dagegen tun konnte. Ich sollte bei Inge bleiben, sagte er. Dann fuhr er mit meinen drei Geschwistern fort, um das Heim anzuschauen. Am späten Nachmittag kamen sie wieder.
Ralf und Uwe packten ihre Klamotten zusammen, auch die von Daniela. Ich selbst war nicht fähig dazu, sondern schaute nur entgeistert zu. Daniela kam und ich nahm sie in den Arm. Ich wäre am liebsten mit Daniela getürmt, aber das ging ja nicht.
Als alles zusammengepackt und im Auto verstaut war, verabschiedeten sich meine Geschwister von mir. Daniela hatte Tränen in den Augen, genauso wie ich. Dann stiegen sie alle ins Auto und fuhren
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