Ich wuensch mir dich
fragte die, als sie sah, dass Lara immer noch in Straßenschuhen war.
»Ich habe höchstens ein- oder zweimal in meinem Leben auf so was gestanden.« Lara deutete auf die Kufen an Emilys Schuhen. »Ich sehe dir lieber zu.« Sie lächelte breit. Das Funkeln in ihren Augen verriet Emily, dass Lara noch etwas in petto hatte. Nur was?
Sie gingen ins Stadion. Unter der riesigen Dachkuppelkonstruktion aus Stahl reflektierten die Eisflächen das Licht der Scheinwerfer. Das Nahen der Schließungszeit hatte die Besucherzahl ausgedünnt, die am Vormittag wohl eh nicht so hoch ausgefallen sein durfte. Nur noch drei vereinzelte Läufer drehten ihre Runden auf den Außenbahnen, einige Familien und Pärchen hielten sich auf der Eisfläche in der Mitte auf.
»Na los«, forderte Lara Emily auf. »Ist doch bestimmt wie Fahrradfahren. Das verlernt man nicht. Genieße es einfach.«
Weil Emily immer noch nicht wusste, worauf die ganze Sache hier hinauslief, beschloss sie, ihre Bedenken über Bord zu werfen und genau das zu tun: es genießen.
Schon nach den ersten Schritten verschwand die anfängliche Unsicherheit. Es war, als wären keine zehn Jahre, sondern höchstens zehn Tage vergangen, seit sie das letzte Mal hier gelaufen war. Emily entspannte sich, lief gleichmäßig und mit kräftigen Bewegungen. Bald verflog das letzte Gefühl von Vorbehalt, der leichte Unmut über Laras Heimlichtuerei, die sie hierher gebracht hatte. Ebenso vergaß Emily den Ärger mit Kranz und alles andere. Sie lief eine Runde nach der anderen und merkte nicht, wie die letzten Besucher die Halle verließen.
Erst als ihr jemand von der Seite her zurief, verlangsamte Emily ihr Tempo, hielt an und schaute zurück. Die Stimme war nicht Laras gewesen, hatte aber ihren Namen gerufen.
»Emily Steffens«, wiederholte die Stimme voller Freude. »Das ist ja mal ein Wiedersehen!«
Emily konnte immer noch nicht ausmachen, wer sie da ansprach, nur dass derjenige neben Lara stand und die beiden nun zusammen, am Außenring entlanggehend, auf sie zukamen. Das Haar des Mannes, der neben Lara ging, war vollständig ergraut. Seine Gesichtszüge dagegen zeigten nur ein paar Falten um Mund- und Augenwinkel. Er war höchstens fünfzig und jetzt, da er vor Emily stand, ihr auch nicht mehr unbekannt.
»Jan?«, fragte Emily verblüfft, »Jan Windheim?«
Der so Angesprochene lachte. »In voller Pracht.« Er öffnete die Tür in der Stadionbande und breitete seine Arme aus. »Mensch, komm her, lass dich umarmen.« Emily fuhr auf ihn zu. Sie war noch mit einem Fuß auf dem Eis, da zog ihr früherer Trainer sie schon in seine Arme. »Wie geht es dir?« In seiner Wiedersehensfreude presste er seinen ehemaligen Schützling so fest an sich, dass Emily es schwer hatte, ihr »Danke, gut« herauszuquetschen.
»Ich fass es nicht, nach so langer Zeit!«, freute Jan Windheim sich. Jetzt fiel ihm wohl auf, dass Emily in seinen Armen etwas japste. Er ließ sie los.
Nun konnte auch Emily endlich reden: »Dass du noch hier bist, das ist ja kaum zu glauben«, stellte sie erstaunt fest. »Arbeitest du immer noch als Trainer?«
»Das auch. Außerdem hat der Verein mich zu seinem Vorsitzenden gemacht.«
»Und jetzt wolltest du wahrscheinlich gerade den letzten säumigen Besucher hinauskomplimentieren«, lachte Emily. »Was für ein Zufall.«
An dieser Stelle räusperte Lara sich heftig. »Also Zufall würde ich das nicht nennen«, sagte sie schmunzelnd.
»Na, wenn das nicht, was dann?«, meinte Emily. Doch plötzlich ging ihr auf, was Lara meinte. »Du hast das arrangiert?« Das war also die eigentliche Überraschung! Emily musste zugeben, die war Lara wirklich gelungen.
»Deine Freundin hier hat mich angerufen«, bestätigte Jan. »Eigentlich hat sie sich nach der frei gewordenen Trainerstelle erkundigt.«
Emily blinzelte verwirrt. Hatte Lara vorhin nicht gesagt, sie sei erst ein- oder zweimal in ihrem Leben Schlittschuh gelaufen?
»Einer meiner Fahrer fragte mich letzte Woche, ob er seinen Neffen nachmittags mit auf Tour nehmen dürfe«, begann Lara zu erklären. »Das Training des Neffen läge auf Eis, quasi im buchstäblichen Sinne, weil der Trainer abgesprungen sei. Was das denn für ein Training wäre, fragte ich ihn. Der Junge mache Eisschnelllaufen, erzählte der Fahrer mir daraufhin. Ich fragte noch ein bisschen weiter und bat ihn schließlich um die Nummer vom Verein. Dort rief ich an und erkundigte mich, ob sie einen Ersatz bräuchten. Die Antwort lautete: lieber heute
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