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Ich würde dich so gerne kuessen

Ich würde dich so gerne kuessen

Titel: Ich würde dich so gerne kuessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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meine Harley sehen?«, fragt er schüchtern.
    »Äh … ja, natürlich möchte ich sie sehen.« Verdammt! Ich habe mir noch keine Strategie überlegt, mit dieser Situation umzugehen.
    Er führt mich etwa fünfzig Meter weiter an den Bordsteinrand und schwingt die Hand theatralisch durch die Luft.
    »Da ist sie!«
    »Die hier?«, frage ich und versuche, seinem Blick zu folgen. Ich habe wirklich Angst, mich falsch zu verhalten.
    »Gefällt sie dir?«, fragt er kleinlaut.
    »Nun, ich … also ich kenne mich mit Harleys nicht so aus …«
    »Ich mag diese Farbe sehr, wirklich sehr«, sagt Bob und mustert seine imaginäre Maschine.
    Ich komme mir beobachtet vor, als wäre das eine Art Prüfung. Ich bin mir beim besten Willen nicht sicher, ob das alles ein Gag ist. Vielleicht ist das ein Spiel von Bob, mit dem er diese ganzen »Normalen« zum Narren halten will. Vielleicht glaubt er aber wirklich an seine Harley, und dann bin ich die Letzte, die ihm das ausreden will. Oder er hat sich mit Jeffer abgesprochen und sie wollen mich beide auf den Arm nehmen.
    »Ist das nicht schrecklich teuer, so eine Harley?«, versuche ich.
    »Ach, das Amt bezahlt die Hälfte, Steuern und so.«
    »Das ist aber nett.«
    »Mein Vater bezahlt die andere Hälfte. Dafür muss er mich nicht besuchen.« Er seufzt.
    »Wie? Verstehe ich nicht.«
    »Er schickt mir das Geld, damit er seine väterlichen Pflichten erfüllt. Aber er möchte mich nicht sehen.«
    »Hat er das so gesagt?«
    »Er hat gesagt, es bricht ihm das Herz, mich so zu sehen. Ich habe gesagt, ich möchte nicht, dass sein Herz bricht. Er ist in den Bus gestiegen und weggefahren. Das war vor drei Jahren. Seitdem hab ich immer Geld von ihm auf dem Konto. ›Für die Harley‹ schreibt er immer dazu. Und ›Dein Vater‹. Na ja, ich glaube, er wäre wirklich gerne ein guter Vater. Hm. Irgendwie ist er es ja auch. Ich weiß nicht.«
    »Und wie lange hast du die Harley schon?«
    »Seit er in den Bus gestiegen ist.«
    »Okay.«
    Sollte diese Geschichte wirklich stimmen, ist das so furchtbar traurig, dass ich mich zusammenreißen muss, nicht gleich zu weinen. Stimmt diese Geschichte nicht, ist es mindestens genauso traurig, dass Bob sich so was ausdenkt und vielleicht selbst daran glaubt.
    Rosi beugt sich aus dem Fenster der Einrichtung und ruft uns zum Kaffee.
    Im Flur sitzen wieder die Raucher, ziehen an den Zigaretten und schlürfen Kaffee, immer abwechselnd. Im Gruppenraum steht auf dem Tisch ein duftender Kuchen, den Rosi gebacken hat, als wir Badminton spielen waren. Ich finde es schön, wie viel Mühe man sich hier gibt.
    Auf einer Decke auf dem Boden liegt Sandy und löst ihren Gewinn ein. Jeffer sitzt auf ihrem Hintern und massiert ihr den Rücken. Einige sehen den beiden zu, andere konzentrieren sich auf den Kuchen. Ich nehme mir auch ein Stück und setze mich damit neben Maggie.
    »Rosi hat gesagt, ich soll mich bei dir entschuldigen«, sagt sie etwas mürrisch.
    »Nicht nötig. Ist nicht so schlimm.«
    »Gut. Ich kann mich nämlich nicht gut entschuldigen. Ich weiß auch eigentlich nicht, wofür.«
    »Ist schon okay.«
    Sie sieht mich an und lässt ein winziges Lächeln durchblitzen. Ich lächle zurück.
    Der Nachmittag ist zur freien Gestaltung eingeplant. Bob sitzt im Garten und füttert Tauben. Sandy und Maggie töpfern Blumenvasen. Die Raucher rauchen und die restlichen Besucher spielen Activity.
    Rosi, Jeffer und ich sitzen auf dem Balkon und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen.
    »Hey!«, ruft Bob zu uns hoch. »Dafür kriegt ihr euer Geld?«
    »Ist doch wunderbar!«, ruft Rosi.
    »Bob hat mir seine Harley gezeigt«, sage ich zu ihr.
    »Bob ist ein armes Würstchen. Da kann man nichts machen. Er kommt schon seit über fünf Jahren hierher. So lange war noch nie jemand da. Meistens kommen die Leute, bleiben ein paar Monate, lernen hier jemanden kennen, ja es gab sogar zwei, die dann eine WG gegründet haben. Und ein Liebespaar, sie sind heute noch zusammen. Auf jeden Fall verschwinden sie dann nach einiger Zeit hier, was auch gut ist. Wir wollen ihnen hier nur einen Schubs geben, ein bisschen in eine Richtung lenken, aber Bob … der lässt sich nicht schubsen. Er ist ein Einzelgänger. Die anderen lachen ihn aus. Er zieht die Gesellschaft der Tauben vor, dieser kleinen Plagegeister. Ich bringe es bloß nicht übers Herz, ihn hier rauszuschmeißen. Aber eigentlich müsste ich das tun.«
    Um 18 Uhr ist Jeffers Schicht beendet und wir verabschieden uns. Auf dem Heimweg bin

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