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Ich zähle bis drei

Ich zähle bis drei

Titel: Ich zähle bis drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Telefonistin die Verbindung hergestellt hatte. Endlich
meldete sich ein Butler und teilte mir mit Totengräberstimme mit, daß die
ehrenwerte Daphne Talbot-Frith nicht im Hause sei. Ich zog die große Schau vom
alten Freund ab, der die Dame dringend sprechen müsse, bis die Stimme
widerwillig erklärte, die Dame sei in London und wohne im Dorchester Hotel. Mit der zweiten Verbindung hatte die Telefonistin keinerlei
Schwierigkeiten.
    »Daphne Talbot-Frith«, tönte
eine schleppende, schrecklich englische Stimme in mein Ohr.
    »Danny Boyd aus New York«,
erwiderte ich, »Sorcha Van Hulsden hat mir einen Einführungsbrief an Sie
mitgegeben .«
    »Wie nett.« Ich konnte förmlich
ihr Gähnen hören. »Macht es Ihnen etwas aus, mir den Brief vorzulesen ?«
    »Keineswegs. Augenblick, bitte .«
    Im Aktenbündel lagen fünf
völlig gleichlautend abgefaßte Briefe. Ich schnappte
mir den zuoberst liegenden.
    »Er lautet: >Ich möchte Dir
einen meiner ganz engen Freunde, Danny Boyd, vorstellen. Sei bitte nett zu ihm,
denn unter seiner ordinären Aufmachung schlägt ein Herz aus purem Granit, und
er kann ausnehmend ekelhaft zu Leuten sein, die ihn schneiden. Ich trage noch
die blauen Flecken! In Liebe, Sorcha.<«
    »Klingt echt nach Sorcha .« Die Stimme wurde plötzlich lebhaft. »Ich wage natürlich
nicht, mich Ihrem Zorn auszusetzen, Danny Boyd. Wo wohnen Sie ?«
    »Im Hilton.«
    »Wie herrlich bequem, nur ein
Stückchen die Straße rauf. Haben Sie heute abend Zeit ?«
    »Selbstverständlich.«
    »Ich komme in einer halben
Stunde auf einen Martini rüber. Wir können dann gemeinsam überlegen, was wir
mit dem Rest des Abends machen .«
    »Ausgezeichnet. Wo treffen wir
uns ?«
    »Ich komme auf Ihr Zimmer«,
sagte sie leichthin. »Ich hasse es, in der Öffentlichkeit zu trinken, wenn es
nicht absolut unvermeidbar ist. Sagen Sie dem Zimmerkellner, er soll für mich
diesen himmlischen amerikanischen Käsekuchen bereitstellen, bitte .« Dann hängte sie ein.
    Ich bestellte die Martinis und
jenen ominösen Käsekuchen und überprüfte das Profil im Spiegel. Es sah schlicht
umwerfend aus: gerissen, skrupellos, unmoralisch vielleicht — aber ohne jede
Spur von Eitelkeit. Wer braucht sie schon, wenn Vollkommenheit waltet? Ein
höfliches Klopfen an der Tür kündigte den Zimmerservice an, und so
verabschiedete ich mich für den Augenblick von der im Spiegel reflektierten
Vollkommenheit. Die Martinis waren genau richtig, etwa sieben zu eins. Nur
fragte ich mich, wie verrückt man sein mußte, um dazu Käsekuchen essen zu
wollen. Eine ehrenwerte Verrückte, schätzte ich, vermutlich mit Pferdegesicht,
schwerem Tweedkostüm und Beinen, die stramm genug geraten waren, um einen
Fußballprofi neidisch zu machen.
    Fast auf die Minute eine halbe
Stunde später klopfte es herrisch an der Tür. Beim öffnen der Tür glaubte ich
einen irren Augenblick lang, Buckingham Palace räche sich für meinen
indiskreten Blick in seinen Hinterhof und wolle mich Respekt lehren für alles,
was britisch ist. Vor mir — in leuchtendem Rot, Weiß und Blau — stand ein
lebendiger, atmender Union Jack. Ich wußte nicht, ob ich vor der Fahne
salutieren oder nach einem Psychoanalytiker schreien sollte.
    »Ich bin geschmeichelt«, sagte
die schrecklich englische Stimme. »Solche Wirkung erziele ich selten .«
    Die britische Flagge löste sich
langsam zu einem Minikleid auf, und ich stellte erleichtert fest, daß es die
Trägerin war, die lebte und atmete. Ein zwangloses Chaos kurzgeschnittener
rotbrauner Locken hing über die Stirn und hörte unvermittelt an den Ohren auf.
Das Gesicht war trotz der winzigen Stupsnase von klassischer Schönheit und von
geradezu teuflischem Reiz. Die Augen waren so leuchtend blau wie englisches
Porzellan, die vorstehenden Backenknochen gebührend aristokratisch, der Mund
hingegen — mit der sinnlich vollen Unterlippe — gehörte eher zu einem Luder
shakespeareschen Formats. Sie war groß gewachsen, an den richtigen Stellen fest
gerundet und hatte lange, gut geformte Beine. Ihre patriotisch gestreiften
Brüste wölbten sich herausfordernd, und ihre Hüften versprachen jedem Jack eine
wonnevolle Union.
    »Eines bewundere ich wirklich
an amerikanischen Männern«, sagte sie leichthin. »Sie zeigen ungeniert ihre
Gelüste. Die meisten meiner Landsleute geben vor, die Dame kaum bemerkt zu
haben; aber fünf Minuten später lassen sie das Taschentuch fallen — in der
Hoffnung, ihr beim Aufheben schnell mal unter den Rock linsen zu

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