Ich zog mit Hannibal
setzte in solchen Fällen mich auf den Platz des Treibers: »Weil ich weiß, wie gern er das sieht.«
Hannibal nahm mir jede Befangenheit. Er liebte Späße, und wenn er auf Karthago zu sprechen kam, das er als neunjähriger Junge verlassen und nie mehr gesehen hatte, sprach er nicht vom Moloch oder vom Schwur, sondern von den Streichen, die er den Sklaven seines Vaters gespielt hatte. »Oft bin ich in den Hafen entwischt und sie mussten mich dann auf Schiffen suchen.«
»Auch ich war am liebsten im Hafen«, sagte ich, »und auf Schiffen.«
»Auch jetzt noch?«
»Jetzt auf Elefanten.«
Und er sagte: »So geht’s mir auch.«
Manchmal versank Hannibal in ein Schweigen, dem der Lärm des ziehenden Heeres nichts anhaben konnte. Dann ritten weder Monomach noch Maharbal an ihn heran, nicht einmal sein Bruder Mago, der nur ein paar Jahre älter als ich war und als Maharbals rechte Hand galt; auch nicht Silenos. Ich hütete mich, das Schweigen zu stören. Auch Suru schwieg mit, er vermied alles, das einen Zuruf nötig gemachthätte. Karthalo ritt auf Tembo, der sich, seit Arba fehlte, noch enger an Suru hielt als während des Winters im Lager.
Einmal überraschte mich Hannibal. Er begann unvermittelt zu reden. Erst dachte ich, es sei eine alte Geschichte, die er mir erzählte, aber bald ging mir auf, dass er mir einen Traum eingestand, der ihm nachging. »Einer, der mir ähnlich war«, sagte er, »gab mir ein Zeichen, ich sollte ihm unbesorgt folgen. Ich hatte keine Söldner hinter mir, nicht einen Mann, stattdessen aber, das fühlte ich, war hinter mir etwas, weit mächtiger als ein Heer. Ich scheute mich, einen Blick hinter mich zu werfen, ich hatte Angst.«
»Das glaube ich nicht«, fuhr es mir heraus und ich sah ihm ins Gesicht.
»Hör weiter zu«, sagte er nach einem flüchtigen Lächeln. »Ich wagte es lange Zeit nicht, mich umzusehen. Aber dann wurde es so, als hinge mir ein Gewitter im Nacken, das jeden Augenblick losbrechen konnte, und da gab ich mir einen Ruck und sah mich um und erkannte über mir eine Wetterwolke, die den halben Himmel einnahm; und als habe sie nur auf meinen Blick gewartet, barst sie und gab einem Drachen das Leben, der im Niederstürzen Berge zum Wanken brachte und Bäume und Sträucher mitriss.«
Ich sah das Wäldchen vor mir, das Suru und die anderen Elefanten verwüstet hatten, und da ich nicht wusste, wie ein Drache aussieht, stellte ich ihn mir als eine Berserkerwolke mit Hörnern und Raubtierschädeln vor.
»Es war wie ein Steinschlag, der alles begrub«, fuhr Hannibal fort, »und je weiter ich hinter dem seltsamenFührer, der mir so ähnlich war, herzog, desto mehr gewöhnte ich mich daran, dass hinter mir alles begraben wurde; die Zerstörung in meinem Rücken verbreitete so viel Schrecken um mich, dass niemand wagte, sich mir in den Weg zu stellen.«
»Es sind die Berserker, es ist das Heer«, sagte ich, ohne dass ich überhaupt etwas sagen wollte. Ich erwartete, Hannibal werde mich tadeln. Aber er trug mir nur auf: »Erzähl keinem davon, behalt es für dich!«
Ich konnte den Traum nie mehr vergessen. Damals war ich stolz darauf, dass es etwas gab, das außer ihm und mir niemand wusste.
Nur selten wurde während des Marsches ein Lager aufgeschlagen. Von den Stämmen, durch deren Gebiet wir zogen, war kaum ein Widerstand zu erwarten. Schluchten und Flüsse wurden leicht überquert. Für die Elefanten war nur der Ebro ein Hindernis. Aber selbst er wurde von ihnen als eine Gelegenheit genommen, einmal gründlich zu baden. Suru, Tembo und Rocco, die drei größten Elefanten, näherten sich ohne Zögern der steilen Böschung, stampften den Rand nieder, so dass eine schräge Bahn entstand, auf der nacheinander alle Elefanten ins Wasser rutschten. Den Fluss überschritten sie mit erhobenem Rüssel. Nur der Zwerg musste schwimmen.
Unter den Söldnern gab es welche, die einen reißenden Fluss mehr fürchteten als eine feindliche Übermacht. Hannibal durchschwamm das Wasser zweimal, um Ängstliche an das andere Ufer zu lotsen. Er ließ nicht zu, dass die Wasserscheuen verspottet wurden. »Wasser ist eine Sache für sich«, sagte er, »schlimmer, wenn einer sich vor Blut fürchtet.« Beisolchen Gelegenheiten zeigte sich, dass ihm um jeden einzelnen Mann zu tun war.
Aber einmal schickte er dreitausend Mann heim. Beim Zug durch die Gebiete der Ilergeten, Karpetaner und Bargusier hatten sich viele bereit erklärt, den Marsch auf Rom mitzumachen. Am Fuße der Pyrenäen aber
Weitere Kostenlose Bücher