Ich zog mit Hannibal
brauchen«, sagte Karthalo im Ton einer Entschuldigung. »Aber entschieden werden musste es einmal.«
Auch Gisgo war dieser Meinung. Wegen der heraushängenden Nervenstränge beruhigte ihn Karthalo: »Das habe ich schon einmal erlebt. Die kriechen mit der Zeit in den Schädel zurück. Daran stirbt er nicht.«
In diesem Augenblick musste Rocco niesen. Karthalo und Gisgo sprangen erschrocken weg, alle Elefanten fuhren zusammen. Rocco wagte sich nicht an die Herde heran. Auch als die Nacht anbrach, blieb er abseits. Sein Indos legte sich zu seinen Füßen schlafen, in eine Decke gerollt. Im ersten Morgengrauen wachte er frierend auf. Rocco war fort. Die Spur führte in den Fluss. Als wir aufwachten, hockte Roccos Treiber wie ein Felsblock am Ufer. Hannibal gab ihm den Elefanten, dessen Indos ertrunken war.
18
Mit vierunddreißig Elefanten setzten wir den Weg fort. Suru führte den Zug. Ein Elefant hielt sich hinter dem anderen, den Rüssel auf den Rücken des vor ihm Gehenden gelegt. Lautlos stieg die Elefantenkette bergan.
Hannibal hatte eine starke Reitervorhut vorausgeschickt. Wir konnten sehen, wie die Reiter absaßen, als der Weg steiler wurde. Sie führten ihre Pferde am Zügel. Bei ihnen waren noch vier von den Leuten, die seit der »Insel« als Führer dienten, und sie hatten versichert, es sei kein Angriff zu befürchten, solange zwischen den Bergen noch genügend Platz sei, um auszuweichen.
Die Berge rückten näher: von vorne, von links und von rechts. Sie wuchsen vor unseren Augen auf. Es waren nicht Berge, wie wir sie kannten. An steilen Hängen hockten Hütten wie erfrorene Vögel mit starr ausgebreiteten Flügeln. Vieh, von der Kälte aneinander gedrängt, suchte Schutz unter überhängenden Felsen. Alles sah fremd aus, bedrohlich, und die Gipfel schnitten mit ihren weißen Rändern immer mehr vom Himmel weg. Von den Höhen hörten wir seltsame Rufe. Nichts regte sich und eben das war unheimlich: Rings war alles tot und lag doch auf der Lauer.
Und dann verschwanden auf einmal die Gipfel. Sie gingen in einer Wolkenschicht unter. Vor den Rest des Himmels zog sich eine schwere Decke. Es fing an zu regnen. Der Regen wusch den Weg fort – die Vorhut verschwand hinter den Schleiern. Das Gebirge zog eine Tarnkappe über; es war weg und wir wussten doch, dass es da war.
Hannibal ritt an uns vorbei. Er trieb sein Pferd an, um die Vorhut einzuholen. Nach einer Stunde stießen auch wir zur Vorhut. Hannibal rief seine Unterführer zusammen. Er setzte sich auf Suru, damit alle ihn sehen konnten, und sprach zu ihnen.
»Wir müssen darauf gefasst sein, auf Feinde zu stoßen«, erklärte er. »Unsere Freunde, die uns bisher den Weg wiesen, hat der Regen geschluckt. Ihnen wurde es zu gefährlich. Nun weiß ich von Magal, dass die Gebirgler, mit denen wir rechnen müssen, auf Schlaf erpicht sind und nur am Tage kämpfen, nicht aber bei Nacht und Nebel. Die Nacht gehört uns also auf alle Fälle, und was den Nebel angeht, so werden wir sehen. Wir müssen versuchen, aus diesem Tal herauszukommen, damit wir ihnen auf die Köpfe spucken können, nicht sie uns.«
Der Marsch ging weiter. Die Elefanten wurden nun in die Mitte genommen. Maharbal und Mago übernahmen die Spitze. Hannibal hielt sich in der Nähe der Elefanten und Monomach marschierte mit seinen erprobtesten Söldnern am Schluss, damit nicht der Zug von hinten aufgerollt werden konnte. Die Sicht blieb schlecht.
Karthalo fluchte. Verächtlich sagte er: »Nicht denken sollte man an sie! Nichts erbärmlicher als einer, der davonläuft! Ein Feigling ist nicht wert, dass er lebt.«
Ich wurde von Karthalos Zorn angesteckt.
»Hannibal im Stich lassen – Hannibal!«, grollte Karthalo weiter. »Keiner von seinen Leuten würde das tun. Du wirst erleben, wie sie sich für ihn schlagen.«
Mir kam die Berserkerwolke in den Sinn: Wie waren sie aufeinander losgegangen auf dem sandigen Feld! – Es war für mich nicht schwer, mir Monomach vorzustellen, wie er in feindliche Reihen einbrach.
Der Weg war glitschig vom Regen. Suru setztevorsichtig Fuß vor Fuß. Er ging angespannt, als habe er Fühler weit vor sich her in die nassen Schleier gestreckt. Der Weg führte auf dem rechten Berghang dahin, der nicht übermäßig steil war. Zur Linken ging es hinab – wie weit, war bei dem schweren Regen nicht abzuschätzen. Wir spähten den Hang hinauf, der sich in Wolken verlor. Die Wolken, der Abgrund, die gegenüberliegende Bergwand – alles war unheimlich
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