Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten
etwas anderes«, sagte er.
Noch etwas anderes? Das beendete das Peitschen und Schlagen im Nu. Aber was konnte es denn noch anderes geben? Ich musste Lulu weggeben? Mama würde doch sterben? Ich saß ganz still und meine Augen stachen glatt ein paar Zentimeter aus dem Rest des Gesichts raus, so sehr versuchte ich, mir darüber klar zu werden, was als Nächstes aus Daddys Mund kommen würde.
»Ich kann nicht ganz allein für die Farm sorgen und dir dann auch noch Unterricht geben. Und deine Mama ist zurzeit viel zu müde, als dass sie sich um diese Dinge kümmern könnte. Deshalb musst du wieder zurück auf die Schule. Am Montag geht’s los.
Ich weiß, das ist hart, Ida B«, fuhr er fort, und ich nehme an, er dachte, wenn er weiterredete, könnte er das Schreien und Weinen unterbinden, das garantiert gleich aus mir herausbräche, »aber es ist nun einmal so, wie es ist. Du musst lernen, deine Mama muss Ruhe haben, damit es ihr wieder besser geht, und ich muss mich um die Farm kümmern.«
Aber was jetzt kommt, zeigt, wie schockiert ich war: Ich schrie nämlich nicht und brüllte auch nicht und sagte kein einziges Wort.
In meinem Kopf fingen die Dinge an, sich zu drehen, und kurz darauf kippte und kreiste alles um mich herum. Ich schaute, ob meine Füße noch auf dem Boden standen, denn ich hatte das Gefühl, in ein Loch zu stürzen, das sich direkt unter mir auftat. Mein Magen rotierte, und ich war ganz sicher, dass mein Mittagessen kurz davor war, noch einmal zum Vorschein zu kommen, als sich
plötzlich mein Hirn an etwas erinnerte, was mich vielleicht retten konnte.
»Mama lässt gar nicht zu, dass du das machst«, sagte ich, während ich versuchte, meinen Blick auf das unscharfe Gesicht des herumwirbelnden Daddy zu fixieren.
»Ida B, deine Mama stimmt mit mir völlig überein«, antwortete er. »Wir müssen es tun.«
Und dann wurde alles dunkel. Mein Körper saß noch immer da und meine Augen standen weit offen, aber mein wahres Ich, das Dinge fühlt und spricht und Pläne macht und manches absolut hundert Prozent sicher weiß, war schlagartig zusammengeschrumpft, verdorrt und verschwunden, es versteckte sich tief in meinem Innern. Ich sah nichts außer Schwärze und hörte nichts außer einer Art Klingeln, und das Einzige, was ich fühlte, war Leere überall um mich rum.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß, aber es kam mir vor wie Jahre um Jahre des Alleinseins - zusammengekauert und mich in der Dunkelheit versteckend.
Ich hörte Daddy meinen Namen rufen, und es klang, als wäre er kilometerweit weg. »Ida B«, sagte er immer wieder, und obwohl ich ihn gar nicht hören wollte, konnte ich nichts dagegen tun. Je mehr ich horchte, desto lauter wurde Daddy, bis ich endlich aus meinem Innern herausguckte, als ob ich gerade aufwachte. Da stand er direkt vor meinem Gesicht, sagte meinen Namen und wirkte traurig und entsetzt.
Und dann weinte ich wieder, und Daddy, der dastand und sagte: »Ist ja gut, Ida B. Alles wird gut«, machte das Ganze nur schlimmer statt besser.
»Daddy«, kriegte ich schließlich zwischen einem Seufzer und dem nächsten heraus.
»Ja, Ida B?«
»Bitte schick mich nicht wieder zur Schule.«
»Du musst hin, Ida B.«
»Aber Daddy, ich brauch nicht zur Schule zu gehen«, bettelte ich. »Ich… ich unterrichte mich selbst. Ich nehme die Bücher und bringe mir alles selbst bei, das verspreche ich. Ich, ich...« Ich war bereit, mir sämtliche langweiligen Fakten über Kanada oder jedes andere Land, das er wollte, einzuprägen, egal ob auf der Nordoder Südhalbkugel.
»Du musst mit anderen Kindern zusammenkommen, anstatt den ganzen Tag nur hier mit Jammermiene rumzulaufen.« Daddy verlor jetzt alle Anzeichen von Traurigkeit und Mitleid, seine Stimme wurde lauter und fester und er ließ sich kein bisschen erweichen.
»Ich will keine anderen Kinder. Ich will nur dich und Mama und hier sein. Bitte, Daddy. Bitte.«
Also, ich sollte vielleicht gestehen, dass ich an diesem Punkt nicht mehr nur mit Worten bettelte. Ich kniete auf dem Boden und streckte ihm die gefalteten Hände entgegen wie die Leute auf Bildern, wenn sie um Erbarmen flehen. Aber dieser Daddy war ohne Erbarmen.
»Ida B, es reicht jetzt«, brüllte er, und seine Stimme füllte die ganze Scheune aus. Sobald Daddy zu schreien begann, sprang meine Stimme zurück die Kehle hinab und mein ganzer Körper erstarrte. Aber Rufus war so entsetzt, dass er hochschoss, als ob ein Blitzschlag direkt durch ihn durchgejagt wäre. Er
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