Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten
an, und ich blickte mit ausdruckslosem Gesicht zurück, als wären sie gar nicht richtig da, was die wirkungsvollste Methode ist, Leute zu verunsichern und garantiert dafür zu sorgen, dass du keine Freunde haben wirst.
Ich füllte die Arbeitsblätter aus, stellte mich in einer Reihe auf, folgte den Anweisungen, antwortete, wenn ich gefragt wurde, redete nicht dazwischen, und es war in Ordnung so. Besser als mit einer Boa constrictor um den Hals in einem Ameisenhaufen zu stecken und den Mund voller Limabohnen zu haben.
In der Pause gingen wir nach draußen. Ich saß auf den Stufen direkt am Hintereingang, legte mein Kinn auf die Knie und beobachtete nichts.
Ein Mädchen aus meiner Klasse - das mit dem Namen Claire - kam herübergelaufen, blieb vor mir stehen und fragte: »Willst du mitspielen, Ida?«
»Nein«, antwortete ich sofort, ohne darüber nachzudenken,
denn so lautete mein Plan: keine Freunde, kein Spielen, kein Lächeln, kein Glücklichsein.
»Okay«, gab sie zurück und wirkte überrascht, vielleicht auch verletzt. Dann ging sie fort.
Und ich fühlte mich ein kleines bisschen schlecht, dass ich nicht mal versuchte, nett zu sein. Aber ich wusste, ich hatte Recht, denn es ist doch so: Wie willst du laufen und spielen, wenn du dich fühlst, als würden Steine von schlimmster Traurigkeit jeden einzelnen Teil deines Körpers niederdrücken? Wie willst du lachen und reden, wenn in deinem Innern kein Lachen mehr ist?
Gerade als mein Hintern vom langen Sitzen auf den Betonstufen taub wurde, kam Miss Washington herüber und setzte sich neben mich - so dicht, dass ich die Wärme spürte, die sie ausstrahlte. Ich roch auch Erdnussbutter und Sommerblumen an ihr.
»Wie läuft’s, Ida?«, sagte sie sachlich und schaute geradeaus, genau wie ich.
»Gut.«
»Irgendwas, worüber du reden möchtest?«, fragte sie.
Ich blieb bei meiner Standardantwort. »Nein, Madam.«
»Na schön«, sagte sie, »aber wenn du irgendwann doch reden willst, bin ich immer bereit, dir zuzuhören.« Und obwohl ich diesen Satz für die Nummer fünf auf der ewigen Topliste der dümmsten Dinge halte, die Erwachsene sagen, klang Miss Washington gar nicht so dumm, als sie ihn sagte.
Miss Washington ließ mir Zeit, weich zu werden und
nachzugeben, denn sie wusste ja nichts von meinem Herzen und meinem Entschluss und davon, dass sie es mit einem mächtigen und unbeugsamen Willen zu tun hatte.
»Wir sehen uns dann drinnen«, sagte sie schließlich nach einem lang gedehnten Schweigen. Und als sie aufstand, berührte sie meinen Arm. Nur so, dass ich es spürte, nachdem sie weg war, aber nicht so sehr, dass es mich störte.
»Ja, Madam«, sagte ich.
16. KAPITEL
Das »rollende gelbe Gefängnis« ließ mich genau dort raus, wo es mich in der Früh aufgelesen hatte.
»Dann bis morgen«, rief der Busfahrer, als er hinter mir die Tür schloss. Und das war das Schlimmste, was er hätte sagen können.
Ich war jetzt wieder bis oben ran voll mit Ekligkeit.
Als ich am Ende der Zufahrt stand, merkte ich plötzlich, ich war den ganzen Tag so beschäftigt gewesen, über die Schule nachzudenken, dass ich gar nicht dazu gekommen war, irgendwas für die Zeit vorzuplanen, wenn ich nach Hause kam. Das Einzige, was ich wusste, war: Ich wollte mit niemandem reden, denn nicht eine schöne Geschichte fand sich in meinem Innern. Dagegen hatte ich jede Menge Dinge zu erzählen, die mich in Schwierigkeiten bringen konnten, vor allem wenn Daddy davon erfuhr.
Aber es gab keinen Daddy, der mich von der Scheune aus beobachtete. Und auch Mama stand weder an der
Haltestelle noch schaute sie aus dem Fenster. Ich hoffte, sie würde gar nicht auf sein, wenn ich hereinkam, denn eins war klar: Wenn Mama da war, würde sie reden wollen.
»Wie war dein Tag, Ida B?«, würde sie fragen.
Und dann würde sie mich mit diesen müden Augen ansehen und selbst meine Ekligkeit wäre für einen Moment zum Verstummen gebracht. Ich würde mit fest verschlossenem Mund dastehen, die Lippen zusammengenäht, -geklebt und -geklammert, um ja die wütenden Worte bei mir zu behalten, die mit aller Gewalt herauswollten, damit sie Mama fertig machen konnten.
Aber sie würde mich noch einmal fragen: »Kleines, wie war dein Tag?« Und mein Herz würde es nicht fertig bringen, zwei Einladungen auszuschlagen, das zu sagen, was es so unbedingt wollte.
Die Worte würden aus meinem Mund schießen und Mama direkt ins Visier nehmen. Worte wie: »Wieso kümmert dich das?« und: »Du hast dein
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