Ida B ... und ihre Pläne, so viel Spaß wie möglich zu haben, Unheil zu vermeiden und (eventuell) die Welt zu retten
mich darauf zu konzentrieren, sodass meine Hand patsch, patsch auf ihren Hinterkopf klatschte. Sie war es bald leid, biss mich leicht, um mir zu verstehen zu geben, dass ich ihr nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die sie verdiente, sprang herunter und spazierte davon, den Schwanz empört als letzte Warnung in die Luft gerichtet. Danach saß ich allein
da, schaute in die Gegend, ohne etwas wahrzunehmen, und horchte, ohne etwas mitzubekommen.
Daddy kam auf seinem Weg zur Scheune an mir vorbei und sagte: »Ida B, hör auf, Trübsal zu blasen, und überleg dir, was du tun könntest.«
Und ich richtete meinen Körper auf und überlegte, irgendwo anders hinzugehen.
Ich konnte nicht in die Plantage. Die Apfelbäume wollten nichts mehr mit mir zu tun haben. Und sie flüsterten sich ständig irgendwas zu wie zum Beispiel: »Hast du von Amelia gehört? Man hat doch das arme Ding gefällt.«
»Wer wird der Nächste sein? Was werden diese Leute als Nächstes anstellen?«, fragten sie sich.
»Wenn ich könnte, würde ich meine Wurzeln nehmen und auf die andere Seite des Bergs ziehen, das kannst du mir glauben. Hier bricht doch alles zusammen«, sagten die, die nicht ängstlich erscheinen wollten.
Aber am schlimmsten waren die Geräusche, die sie abends machten. »Ohhhhhh, ohhhhhh«, klagten sie, wenn der Wind und ihre Zweige in Trauer zusammen tanzten und ihre Blätter den Seelen ihrer Freunde zum Abschied winkten.
Ich hielt mich jedoch nicht deshalb von ihnen fern, weil sie mich übersahen, sondern weil ich Angst hatte, sie könnten mich ansprechen. Ich hatte Angst, sie würden mich fragen: »Warum hast du uns nicht geholfen, Ida B? Warum hast du uns nicht beschützt?«
Denn ich wusste darauf keine Antwort, höchstens dass ich mich fühlte, als ob ich selber gefällt worden wäre.
Darum setzte ich mich lieber an den Berghang, dankbar,
die Sterne so weit fort zu wissen, dass man ihre Stimmen kaum hören konnte. Weit weg von der Obstplantage, dem Bach und dem alten Baum, bis Daddy nach mir rief: »Ida B! Es ist spät, komm rein!«
Dann ging ich nach Hause, ins Bett und am nächsten Tag tat ich wieder genau dasselbe.
Aber jetzt hatte mir mein Herz einen Plan gegeben. Ich hatte eine Mission, eine Aufgabe und ganz, ganz viele Dinge zu erledigen.
Ich machte ruck, zuck meine Hausaufgaben und schloss mich bis zum Abendbrot in meinem Zimmer ein, dann erledigte ich eilig das Geschirr und verzog mich danach bis zum nächsten Morgen. Ich arbeitete auf nichts Geringeres hin, als die Fehler wieder gutzumachen, das Unheil in etwas Positives zu verwandeln und den Wahnsinn zu stoppen, der garantiert und unaufhaltsam mein Tal an sich reißen wollte. Ich war Ida B, Superheldin der Luxusklasse, Freundin der Unterdrückten und Feindin von Krebs, Gemeinheit, gedankenloser Zerstörung und traditionellem Unterricht.
Ich zeichnete mir eigens ein Emblem mit dem Berg im Hintergrund und davor den Überresten der Ernest-B.-Lawson-Grundschule. Die war bloß noch ein Schutthaufen, und was dort einst gewesen war, ließ sich überhaupt nur sagen, wenn man einige Buchstaben des ebenfalls zerstörten Wandschilds wieder zusammensetzte. Genau über diesem Betonhaufen hing ich, wenige Augenblicke nach der Zerstörung.
Mein Super-Assistent Rufus hatte alle Männer, Frauen
und Kinder aus dem Gebäude geholt. Im nächsten Moment kam ich steil aus dem Himmel geflogen und rammte, eine Faust voraus, die Kuppel der Schule. Mit diesem einen, perfekt platzierten Schlag hatte ich das ganze Gebäude pulverisiert. Ich trug purpurne Hosen, ein purpurnes Trikot, purpurne Socken und purpurne Sportschuhe. Meine Zöpfe wehten mir hinterher und ich lächelte so richtig breit.
Rings um die Schule standen Apfelbäume und sämtliche Kinder saßen in Sicherheit auf den Ästen. Rufus aß Apfelkuchen. Der Bach floss an den Ruinen der Schule vorbei, in ihm waren alle Lehrer, der Rektor und die Sekretärin, jeder mit einer Schwimmweste an, unterwegs nach Kanada.
Es war eine großartige Zeichnung. Ich hing sie an die Rückseite meiner Tür und versuchte nicht mal, sie zu verstecken.
Als Nächstes beschäftigte ich mich damit, die neuen Leute zu vertreiben.
Ich malte mit Wasserfarbe, Marker und Kreide Schilder, Plakate und Anschlagzettel. In unserem Lexikon suchte ich nach den gefährlichsten und tödlichsten Dingen des Universums und brachte sie in unser Tal.
»Vorsicht vor giftigen Schlangen«, besagte ein Plakat und zeigte Bilder mehrerer Klapperschlangen, einer Kobra
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