Idioten auf zwei Pfoten
meine Studien damit begnügen, noch mehr Filme mit Hundetrainern anzuschauen. Wovon es nicht eben wenige gibt, wie ich jetzt festgestellt habe. Im Grunde genommen könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Menschen jede Menge Anstrengungen unternehmen, ihr Zusammenleben mit uns zu einer wahren Wissenschaft zu machen. Relativ fruchtlos, wenn man sich die Ergebnisse anschaut. Alle scheinen dann doch darauf zu warten, dass einer dieser Experten an einem Hund den Knopf entdeckt, auf den man drücken muss, damit er alles macht, was der Mensch von ihm erwartet.
Ich wünschte, meine Madame hätte einen Knopf, auf den ich drücken könnte, damit sie endlich die Tür aufmacht und zwei Minuten lang nicht aufpasst. Leider haben weder mein Vater, Tante Eulalia oder mein Onkel je darüber gesprochen – warum auch? Wir Joãos sind seit Generationen frei lebende Möpse. Uns standen immer alle Türen offen.
9. Oktober
Alfonso, mein Freund, ich musste zunächst einmal innehalten. Das mag wohl an der Zerrüttung meiner Nerven liegen. Hätte ich geahnt, wie sehr mir die Hunger-mit-Reis-Zeit zusetzen würde, ich wäre wachsamer gewesen. Außerdem hat das, was vorgestern passierte, die Grundfesten meiner Überzeugungen erschüttert. In zweierlei Hinsicht. Daher mein Zögern, dir die Ereignisse zu schildern. Du weißt, wann immer man peinliche Dinge zu berichten hat, schnürt es einem die Kehle zu. Man möchte es eigentlich gar nicht berichten, fühlt sich aber einem Freunde gegenüber zu absoluter Ehrlichkeit verpflichtet. Alfonso, wir wissen schließlich alles übereinander, nicht wahr? Wir haben uns immer die Wahrheit gesagt, so schmerzlich sie auch war.
Meine Madame war an besagtem Tage über eine von ihr nicht näher beschriebene Landpartie sehr aufgeregt. Dinge wurden in Papier eingepackt und im Auto verladen. Dann verbrachte sie sehr viel Zeit im Badezimmer. Als sie wieder herauskam, sah sie ganz anders aus – fast wieder so wie auf ihrem Plakat, mit dem sie ihre Lesungen anpreist. Auch hatte sie einen neuen Geruch aufgelegt. Nicht schlechter, eher verwirrend anders: nach Wiesenblumen, Heu, Orangenschale, den Afterdrüsen einer afrikanischen Schleichkatze und dem Harn der großen Stänkerin von oben als Dreingabe. Du glaubst es nicht, Alfonso? Ich übertreibe nicht.
Während der ganzen Fahrt hing die Duftwolke im Auto. Wir fuhren sehr lange, und ich versuchte, mir die Augenklappe, die ich an diesem Tag um des lieben Friedens willen zunächst akzeptiert hatte, über meine Nase zu ziehen.
Die Madame sah es und lachte laut. Sie schob das Ding wieder auf die leere Augenhöhle und sagte: »Du siehst total verwegen aus, Schrödi, wie Kapitän Jack Sparrow.«
»Nur dass dieses kleine Auto so gar keine Ähnlichkeit mit der Black Pearl hat«, murmelte ich und setzte Gesichtsausdruck Nummer 1 auf, den ich in dieser Situation für angemessen hielt. Da die Madame so vergnügt war, machte ich mir keine Sorgen, dass es doch noch zur Arbeit oder zur Hundeschule gehen könnte. Da wäre sie eher angespannt und nervös gewesen – besonders, wenn es zur Hundeschule ging. Ich glaube, sie hatte mehr Angst vor der Kritik der Lehrerin über meine nicht vorhandenen Fortschritte, die selbstverständlich dem Untalent von Madame angekreidet wurden, als ich. Meine Diarrhoe war auch für die gnädige Frau zum richtigen Zeitpunkt gekommen, denn so konnte sie meine erfolglosen Lehrstunden guten Gewissens absagen.
Wir fuhren eine Weile in Richtung Süden, dann ganz plötzlich von der schnellen Straße ab und durchquerten mehrere kleine Ortschaften. Alles sah ganz anders aus als in der Stadt. Alte schmucke Häuser und ruhige schmale Straßen. Hier und da döste eine Katze auf dem Trottoir oder in einem Hauseingang in der Sonne. Natürlich gab es auch hier keine Kacheln an den Außenwänden wie bei uns zuhause, aber die Menschen gaben sich wenigstens Mühe, ihre Häuser interessant zu machen – einige hatten mit Holzbalken und schneefarbenem Anstrich experimentiert, andere mit sehr gediegen aussehenden Schieferplatten, die den Häusern das Aussehen von großen grauen Fischen gaben. Auch konnte ich beobachten, dass es in den Dörfern wesentlich sauberer war als in der Stadt.
»Warum, Madame, wohnen wir eigentlich nicht hier?«, fragte ich.
Die Madame öffnete das Schiebedach. Nicht gerade eine Antwort auf meine Frage, aber die frische Luft tat mir gut. Sie roch nach Heu und Wald.
Ich genoss die Aussicht und ließ die gnädige Frau in Ruhe,
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