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Idioten auf zwei Pfoten

Idioten auf zwei Pfoten

Titel: Idioten auf zwei Pfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edda Minck
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erreichte vor ihr das Ufer, obwohl sie mir gefährlich nahe kam und nach meiner Beute griff.
    Kaum hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen, galoppierte ich am Ufer entlang, verhedderte mich für einen beängstigenden Augenblick im Gummiband der Augenklappe, die mir vom Kopf gerutscht war, und erklomm stolpernd die Böschung in der Hoffnung, mich im nächstbesten Schuppen in Sicherheit zu bringen.
    Ich schlug Haken um Beine, Tische, Stühle und Feuerstellen. Hinter mir fiel krachend Geschirr zu Boden. Von allen Seiten kamen sie auf mich zu und streckten ihre Hände nach mir aus. Mit letzter Kraft spannte ich meine Muskeln an und flog über eine umgestürzte Bank hinweg, rannte Jeeves um, der mir ein Beinchen stellen wollte, und in der nächsten Sekunde prallte ich gegen zwei nasse Hosenbeine. Unverzüglich fand ich mich rücklings auf dem Boden liegend wieder – über mir die aufgerissenen Augen meiner Madame. Sie war völlig außer Atem, und das Wasser troff aus ihren Haaren. Sie griff mir in die Schnauze und zog an der Ente.
    »Die gehört nicht Ihnen!«, knurrte ich. »Das ist meine! Unterstehen Sie sich, Madame!«
    Mit einem Ruck hatte sie die Ente erobert. »Schröder! Aus! Du liebe Scheiße!«, rief sie und drückte mich mit einer Hand fest auf den Boden. In der anderen hielt sie die Ente, die eben piepsend ihren letzten Ton von sich gab. Ihr langer Hals fiel schlaff herunter, und Blut tropfte auf Madames Hose.
    Ein paar Kinder weinten und forderten die gnädige Frau auf, die Ente auf der Stelle wieder heile zu machen. Das Greinen wurde sekündlich lauter, das Gemurmel der Erwachsenen auch, die ihre Kinder an die Hand nahmen und wegführten.
    »Da ist wohl nichts mehr zu machen«, sagte der Mann, mit dem die Madame sich vor ein paar Minuten noch so gut amüsiert hatte. »Wildernde Hunde sind hier nicht gern gesehen. Sie können froh sein, dass der Förster das nicht gesehen hat. Der klärt solche Situationen gerne mit einem Schuss«, erklärte er und ließ die Madame stehen.
    Unvorsichtigerweise hatte sie ihren Griff gelockert. Ich sprang auf und schimpfte: »Ich warne Sie, zum letzten Mal! Geben Sie mir meine Mahlzeit zurück!« Das Adrenalin pulste in meinen Adern, ich warf mich in die Brust, knurrte und schnappte nach meiner Beute, die ich nach allen Regeln der Jagdkunst rechtmäßig erworben hatte. Madame legte die tote Ente ins Gras, packte mein Nackenfell und warf mich wieder auf den Rücken. Sie zischte mich an, wie es dieser kleine Mexikaner im Fernsehen auch immer machte. Alfonso, ich hätte über dieses absurde Szenario gerne gelacht. Aber ich hatte das leckerste Abendessen aller Zeiten in Reichweite und wollte Madame eben in die Hand beißen, um sie ein für alle Mal zur Räson zu bringen – da lähmte plötzlich ein Gedanke meine Glieder. In das Rauschen und Pulsieren in meinem Kopf mischte sich die Stimme von Scooter.  »Die Zweibeiner mögen das nicht. Spiel ein bisschen den Affen, aber mach nix Ernstes – keine Beute, kapiert?!«
    Und dann ging mir der Sinn dessen auf, was der Mann gesagt hatte: Ein Schuss, wildernde Hunde …
    Ich wurde durchgeschüttelt und wieder unsanft auf dem Boden abgesetzt. Madame packte mein Nackenfell und schleifte mich über den Hof, vorbei an den Leuten, die alle durcheinanderredeten. Sich nach allen Seiten entschuldigend steuerte sie auf ihr Auto zu. Sie setzte mich hinein, knallte die Tür zu und ließ mich allein.
    Nach einer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit erschien, sah ich die schlanke Gestalt von Ginger am Ende der Straße auftauchen. Ich rief ihren Namen, aber sie kam nicht näher. Sie stand einfach nur da und schüttelte traurig den Kopf. Das traf mich mehr als alles Geschimpfe der gnädigen Frau, die Aussicht auf eine Begegnung mit dem Förster oder das Gelächter von Jeeves und Wooster, die am Auto entlangparadierten und grölten:
    »Zehn kleine Enten, schwammen auf dem Teich,
    da kam ein Hund und biss gleich zu,
    und eine war’ne Leich’.
    Neun kleine Enten, die waren heilefroh,
    der Hund, der wurde eingesperrt
    und kriegt was auf den Po.
    Eine kleine Ente, die ist jetzt leider tot,
    der Hund, der hat kein’ Spaß im Knast
    bei Wasser und bei Brot.
    Ein großer Jäger, der hasst die Wilderei,
    er legt sogleich die Flinte an,
    und bumm, da war’s vorbei.«
    Ginger schüttelte ihr silberfarbenes Fell. Von den letzten Sonnenstrahlen berührt leuchtete es auf wie ein Regenbogen. Dann schlich sie mit hängendem Kopf davon und verschwand im

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