Idioten auf zwei Pfoten
Knall, so laut wie die Fehlzündungen an Mafaldas Käsetransporter.
»Lasst ihn in Ruhe«, sagte Ginger mit mildem Tadel in der Stimme, und zu meinem großen Erstaunen trollten sie sich auf der Stelle in Richtung Buffet.
»Warum?«, entfuhr es mir. »Warum sagen sie, ich hätte eine Nase?«
»Weil es wahr ist, João?! Das ist doch nicht so schlimm. Du kannst froh sein, dass dich die Degeneration nicht erwischt hat, die alle reinrassigen Linien belastet. Ich bin noch mal davongekommen, bei mir ist es nur ein wenig Arthrose und eine leichte Fehlstellung im Hüftgelenk. Das ist alles nichts gegen einen Infarkt …«
Ginger schluckte schwer. Aber sie fuhr fort: »Ist dir noch nie aufgefallen, dass du eine Nase hast? Ich wette mit dir, dass Jeeves und Wooster nur neidisch darauf sind. Wer eine Nase hat, kann wenigstens Luft holen. Die beiden können das nicht, sie röcheln herum wie alte Dampfkessel. Und viel Kondition haben sie auch nicht.«
»Sind die beiden auch im Zirkus aufgetreten?«
Ginger gähnte. »Du liebe Zeit, nein. Die beiden hätten allenfalls lebende Kanonenkugeln abgeben können. Ich muss jetzt leider weiter.«
»Ginger, du kannst doch jetzt nicht gehen … ich meine …«
»Was, João?«
»Willst du nicht mitkommen – in die Stadt? Wir könnten zusammen auftreten. Du und ich und meine Chefin. Du wärst der Star, glaub mir.«
Ginger blinzelte. »Das ist nett von dir. Aber das geht nicht. Meine Chefin wartet. Am Nachmittag telefoniert sie gern, und ich bringe ihr den Hörer. Das ist jetzt mein Job. War nett, dich kennengelernt zu haben, João. Viel Glück noch. Ich bin mir sicher, du bist ein sehr guter Schriftstellerhund. Du hast es gut mit ihr getroffen und sie mit dir. Man könnte neidisch sein. Und nicht verzweifeln wegen deiner Nase. Gegen die beiden Clowns bist du eben ein echter Kampfmops.«
»Danke, Ginger. Und, und alles Gute. Meine tiefste Verehrung. Und wenn du mal in die Stadt kommst, dann …«, der Rest des Satzes blieb mir vor Wehmut im Halse stecken, und ich schluckte schwer.
Zum Abschied fuhr sie mir neckisch mit ihrer Nase über meine. Dann schritt Ginger erhobenen Hauptes durch die Menschenmenge und war nach wenigen Sekunden verschwunden. Die Stelle, an der sie meine Nase berührt hatte, brannte wie Feuer. Ich hatte mich benommen wie ein Anfänger, Alfonso. Wo hatte ich nur meine guten Manieren gelassen?
Die gnädige Frau hatte von alldem nichts mitbekommen. Sie saß über mir auf der Bank, rauchte und unterhielt sich mit einem anderen Zweibeiner. Hatte ich das alles nur geträumt?, fragte ich mich. Ginger war aufgetaucht und sogleich wieder verschwunden, wie eine Fata Morgana. Ich vermisste sie jetzt schon und steckte meine Nase ins Gras, um die letzten flüchtigen Düfte von ihr aufzusaugen. Dom João, worauf wartest du noch?! So eine Frau kann man doch nicht einfach ziehen lassen. Geh ihr hinterher, oder alle Welt wird dich zukünftig einen Schlappschwanz nennen!
Alfonso, du ahnst es bestimmt. Wie immer bestimmte die Leine das Ende meines freien Willens, und ich stieß ein paar kräftige Flüche aus. Madame ruckte an der Leine und sagte: »Aus!«
»Gnädige Frau, ich möchte nach Hause«, sagte ich, setzte mich vor sie hin und probierte Gesichtsausdruck Nummer 4. Sie runzelte die Stirn.
»Madame, bitte. Mir geht es nicht gut. Ich brauche Ruhe. Mein Gefühlsleben ist durcheinander.« Ich lehnte vor Verzweiflung meine Stirn an ihr Schienbein und verharrte in dieser dramatischen Pose.
»Was hat er denn?«, fragte der Mann, der neben Madame auf der Bank saß.
»Weiß ich nicht«, antwortete sie. »Saudade, vielleicht? Er ist ein Portugiese, die neigen zur Schwermut.«
Der Mann lachte. »Saudade, das ist gut. Sagen Sie bloß, er singt portugiesische Fados.«
»Manchmal glaube ich das … Er ist ein komischer Hund. Ich hab ihn im Internet gefunden und ihn vor ein paar Wochen aus dem Tierheim geholt. Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick – bei ihm dann wohl eher nicht. Aber wer weiß, was er alles schon erlebt hat …Vielleicht braucht er einfach mehr Zeit«, erklärte Madame, offensichtlich ermutigt, weil sie den Kerl zum Lachen gebracht hatte.
»Madame«, wiederholte ich meine Ansprache, »Madame, ich möchte nach Hause.« Ich ließ mich kraftlos auf die Seite fallen in der Hoffnung, nun sei es dramatisch genug, um eine sofortige Abreise zu initiieren. Aber anstatt sich umgehend um mich zu kümmern, da ich mich offensichtlich vor Schwäche nicht mehr auf den
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