Idioten auf zwei Pfoten
»Und warum sollte ich das getan haben? Hat er das auch gesagt?«
» Ja, das hat er. Der Ort, wie heißt er noch?«
»Vila do Santo Chouriço«, half ich ihm auf die Sprünge. Als ich den Namen meiner Heimatstadt aussprach, spürte ich eine Enge in meinem Hals, als schnürte mir das Heimweh die Luft ab.
»Ja, genau. Also, die Leute dort hatten schon lange die Nase voll von dir und deiner Meute. Die Luft wurde für dich immer dünner in Vila do Santo Chouriço. Die Menschen hatten deine Diebereien satt und haben die Jäger gebeten, deinem Treiben ein Ende zu machen. Du, nur darauf bedacht, deine eigene Haut zu retten, hast dich daraufhin bereit erklärt, dein Rudel auszuliefern. Im Gegenzug hätten die Cães versprochen, dich zu verschonen und dir die Gelegenheit gegeben, das Land zu verlassen. Was dir ja offensichtlich gelungen ist. Ich wurde lediglich stutzig, als ich sah, in welcher Verfassung du dich befindest. Gehe ich recht in der Annahme, dass du dein Auge bei dem Überfall der Cães und ihrer Jäger verloren hast?«
»Allerdings. Allerdings! Die haben auf mich geschossen! Ich bin in einem Gefängnis gelandet, Alter. Ich wurde verstümmelt. Das Einzige, was wahr ist an der Geschichte: Ich habe das Land verlassen – aber nicht freiwillig! Sondern als Sklave, an einem Strick hängend.«
»Was redest du denn da? Gefängnis? Das sind Tierheime, Auffangstationen. Da sind Menschen, die es gut mit uns meinen. Lopo hat gesagt, dass es deine Idee war, dich in ihre Obhut zu begeben, um Asyl zu beantragen. Wusstest du das nicht?«
»Willst du damit sagen, ich hatte es mit guten Menschen zu tun, die sich um mein Wohlergehen gesorgt haben? Wenn es so gewesen wäre, hätten sie mich auf der Stelle gehen lassen, anstatt mir die Eier abzuschneiden, mich in eine Kiste zu stecken und zu deportieren wie einen Kriminellen! Wenn das Wohltaten sein sollen, weiß ich nicht, welche Gräuel zu erwarten sind, wenn sie erstmal schlechte Laune haben.«
»Ich sehe schon, du weißt dein Glück nicht zu schätzen. Hör mir gut zu: Die Menschen wissen es nicht besser und tun, was sie können. Ohne ihre Hilfe wärst du elendig zugrunde gegangen. Du warst offensichtlich schwer verletzt. Du weißt selber, dass in deiner Heimat niemand auch nur ein gutes Wort für einen Streuner hat. Hier sind die Menschen anders. Aber auch das Leben ist anders. Und ohne Leine bist du in der Großstadt verloren, wenn du dich nicht auskennst. So viele Autos. Du musst das mal von der praktischen Seite sehen. Hast du jemals zuvor so viele Autos gesehen?«
»Nein.«
»Na, also. Die Menschen wissen, wie man damit umgeht, was sie einen Straßenverkehr nennen.«
»Aha.« Mir kam es so vor, als sei es ein ähnliches Märchen wie das von den Hühnerknochen, das Fluse erzählt hatte. Aber ich sagte nichts und ließ den Alten weiterreden.
»Ich war in einer Tötungsstation, weil ich für die Hunderennen nicht mehr schnell genug war. Diese Leute haben mich befreit. Und ich bin sehr froh, dass sie das getan haben. Hier bin ich endlich in Sicherheit. Niemand schlägt mich oder tritt nach mir. Ich habe Freunde und werde beschützt. Miss Boss kümmert sich um alles.«
»Komm mir jetzt nicht noch damit, dass du Dankbarkeit empfindest für das, was die Menschen tun.«
»Dankbarkeit ist ein menschliches Wort. Es sagt mir nichts. Ich weiß nur, dass ich mich besser fühle als vorher. Die Bilder von meinem Vorher verfolgen mich bis heute: Da lag ich angekettet in meinem eigenen Kot, hatte Schmerzen vor Hunger und Durst und konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten. Warum sollte ich an dem jetzigen Zustand also etwas ändern wollen?«
»Weil … Weil …«
»Sprich es ruhig aus, João – weil wir Hunde sind. Wir beide sind Hunde. Daran ist nichts verkehrt.«
»Aber ich bin doch ein …«, fing ich den Satz an, konnte ihn aber nicht zu Ende sprechen. Brezel hatte Recht. Mein Mops-Sein hatte ich verwirkt, indem ich den heiligen Eid brach, indem ich gegen alle Regeln des Mops-Codes verstoßen hatte. Nicht die Nase machte den Mops, hatte Tante Eulalia gesagt, sondern die Qualität seines Charakters. Für meinen Charakter würde, nach allem, was ich getan hatte, auf dieser Welt niemand mehr auch nur einen Pfifferling geben. Und auch für die Dinge, die ich nicht getan hatte, gab es keine Entschuldigung. Hatte ich meinen Menschen froh gemacht? Nein. Das hatte ich nicht. Ich hatte versucht, meinen Menschen in den Griff zu kriegen, indem ich so tat, als verhielte ich
Weitere Kostenlose Bücher