Idol
überaus fein gearbeitetes Tempelchen |345| gelegt, das als Behälter für Pfeffer diente, während der Ozean ein Schiff – den Salzbehälter – in der Hand hielt.
Der Papst ließ nicht ab, dieses wunderschöne Kunstwerk zu betrachten und mit seinen wohlgeformten Händen zu streicheln. Und
was ich von Anfang an geahnt hatte, geschah: der Heilige Vater wollte die Menage dem Kardinal di Medici abkaufen, der in diesem
Augenblick sicher heftig bereute, sie ihm überhaupt gezeigt zu haben; sein Gesicht verriet tödliche Verlegenheit. Die Menage
zu verkaufen schien ihm allzu hart. Und es abzulehnen war nicht ungefährlich, war doch der Papst sehr rachsüchtig.
Aber ein Medici läßt sich nicht überrumpeln: das Zögern des Kardinals währte nicht lange.
»Verkaufen, Allerheiligster Vater«, rief er und hob die Hände, »werde ich Euch das Stück ganz gewiß nicht. Aber es wird mir
ein großes Vergnügen sein, es Euch zu schenken, wenn Ihr mir ein wenig Zeit laßt, es von allen Seiten von einem Künstler zeichnen
zu lassen, damit ich wenigstens die Erinnerung daran bewahren kann.«
Damit stellte er die Menage in ihre Vitrine zurück, schloß diese ab und geleitete den Papst mit unendlicher Ehrerbietung zurück.
Er hatte sich gerade noch rechtzeitig einer kaufmännischen List entsonnen: Zeit gewinnen!
Wieder im Freien, wurden wir durch einen unangenehmen Wetterumschwung überrascht. Dicke schwarze Wolken verdeckten die Sonne,
und es war sehr kühl geworden. Ich bemerkte, wie der Heilige Vater, nachdem er aufgesessen war, fröstelte, und als wir auf
dem Hof von Sankt Peter angekommen waren und er abgestiegen war, fröstelte er wieder. Er bekam heftiges Fieber und mußte zu
Bett; und als alle Mittel des vatikanischen Arztes wirkungslos blieben, wurde Andrea da Milano gerufen, ein Nachfahre von
Giovanni da Milano, dem berühmten Professor der nicht minder berühmten medizinischen Akademie von Salerno, mit der keine sonst
in Europa rivalisieren kann, höchstens die Akademie von Montpellier – beides Institutionen, die ihre Vormachtstellung, wie
ich hörte, dem Umstand verdanken, daß ihnen die aus ihrer Heimat vertriebenen spanischen Taufjuden die jüdische und die arabische
Medizin übermittelt hatten.
Andrea da Milano untersuchte den Kranken, maß seinen |346| Puls und sprach beruhigende Worte. Aber da er mich ständig am Lager des Papstes sah – der Heilige Vater bestand hartnäckig
darauf –, machte er mir ein Zeichen, ihm ins Vorzimmer zu folgen, wo er sich, mit mir allein, in ganz anderem Ton äußerte.
»Beide Lungenflügel sind angegriffen, Euer Eminenz. Allerdings ist der Heilige Vater außergewöhnlich robust. Sein Herz arbeitet
ausgezeichnet, und er wird die Krankheit überwinden können.«
Am folgenden Tag war der Zustand des Papstes unverändert, aber Andrea da Milano zeigte sich im Gespräch unter vier Augen durchaus
nicht mehr so zuversichtlich.
»Ich will offen mit Euch reden, Eminenz. Der erlauchte Patient enttäuscht mich: er zeigt keine Widerstandskraft. Er kämpft
nicht! Er hilft nicht dem Arzt, er hilft der Krankheit.«
Am nächsten Tag sprach er noch offener:
»Es ist an der Zeit, ihm die Letzte Ölung zu erteilen.«
Daraufhin ließ ich einen der Neffen des Papstes rufen, den Kardinal San Sisto, der sofort herbeieilte und reichlich Tränen
vergoß (offenbar hatte er diese Fähigkeit von seinem Onkel geerbt). Und da der Heilige Vater gerade ein wenig schlummerte,
wagte ich es, ihn zu verlassen und in meinen Palazzo zurückzukehren, wo ich mir einen Imbiß servieren ließ, bevor ich in meinen
Park ging, um Luft zu schöpfen und einen Blick auf das Wäldchen zu werfen, um das ich ihn unlängst vergrößert hatte. Ich sah
dort den früheren Besitzer, Domenico Acquaviva, der emsig beim Auslichten war, und trat zu ihm. Sowie mich Acquaviva erblickte,
fiel er auf die Knie und küßte meinen Ring.
»Gute Arbeit, Acquaviva!« sagte ich. »Und vielen Dank für deine Freundlichkeit.«
Ein kurzes Schweigen, dann fragte Acquaviva:
»Eminenz, man erzählt sich überall, der Heilige Vater sei schwer krank. Besteht denn keine Hoffnung mehr?«
»Leider nein, mein Sohn!« sagte ich und schüttelte den Kopf.
In diesem Augenblick kam ein Diener gelaufen, um mir kundzutun, Kardinal di Medici warte in meinem Palazzo auf mich. Ich
eilte zu ihm und fand ihn, wie er im großen Saal mit großen Schritten – so groß, wie sein kleiner Körper es ihm erlaubte –
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