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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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glaubt Ihr, mit diesem Testament Vittoria ausreichend zu schützen?«
    »Ich sorge für ihre Zukunft.«
    »Ihr könntet auf andere Art besser für sie sorgen. Zum Beispiel, indem Ihr Vittoria
da mano a mano
1 Eure Schmucksammlung übergebt.«
    »Die habe ich nicht mehr. Als ich Rom verließ, habe ich sie verpfändet, um meine Schulden bezahlen zu können.«
    »Wem, Durchlaucht?«
    »Giuseppe Giacobbe.«
    »Wer ist Giuseppe Giacobbe?«
    »Der Goldschmied; du hast ihn hier zusammen mit dem Arzt gesehen, der die Amputation empfahl.«
    »Und dieser Mann ist so reich?«
    »Nicht er, aber das Getto.«
    |424| »Deshalb dieses unglückselige Testament.«
    »Warum ›unglückselig‹?«
    »Weil es eine geladene Pistole ist, die Ihr den Medicis in die Hand legt.«
    »Es ist eine geladene Pistole, aber ich gebe sie Vittoria in die Hand.«
    »Sie wird sich ihrer nicht bedienen können. Sie ist zu gut, zu großzügig. Die Medicis werden als erste schießen.«
    »Das werden sie nicht machen! Padua ist eine venezianische Stadt!«
    »Ihr habt recht, Durchlaucht, sie werden es nicht machen – sie werden es machen lassen.«
    »Von Lodovico?«
    »Von wem sonst? Die Medicis werden nichts sagen oder schreiben. Sie werden diesen Schurken nicht einmal empfangen. Sie werden
     lediglich die Drahtzieher im Hintergrund sein.«
    »Gut, dann komm ihnen zuvor! Töte ihn!«
    »Daran habe ich schon gedacht, aber das ist nicht so einfach. Er ist Anführer einer Bande! Er ist nie allein, ist immer von
     seinen Banditen umgeben. Ach, Durchlaucht, wie seid Ihr nur auf die Idee gekommen, Eure Schulden zu bezahlen!«
    »Ein Orsini zahlt stets seine Schulden zurück.«
    »Nicht, wenn er Lodovico heißt. Durchlaucht, ich weiß nicht, ob Ihr gut daran getan habt, für Vittoria ein Haus in Padua zu
     mieten. In Rom, unter der Obhut ihres Onkels, wäre sie sicherer. Alle Welt fürchtet seinen spitzen Schnabel und seine scharfen
     Krallen.«
    »In Padua steht sie unter dem Schutz des Podestà.«
    »Sie wird dort nicht so sicher sein wie in Rom. Die Venezianer sind Kaufleute wie die Medicis, stets bereit zu Vergleich und
     gütlicher Einigung …«
    »Du säst Zweifel in mein Herz, Marcello. Andererseits, in Rom wäre sie der strengen Vormundschaft von Sixtus V. unterworfen.
     Was soll ich alles bedenken? Wie soll ich entscheiden? Und wie die Zukunft vorhersehen, wenn mir nur noch so wenig Zeit bleibt?«
     
     
    |425|
Marcello Accoramboni:
     
    Als der jüdische Arzt Ende Mai von hier abreiste, war der Fürst davon überzeugt, daß er nur noch zwei bis drei Wochen leben
     würde. Es vergingen jedoch vier Monate, ohne daß sich sein Zustand veränderte, will heißen: ohne Besserung, aber auch ohne
     spürbare Verschlechterung. Der Fürst hatte einen großen Vorrat an Energie, und obgleich er zuzeiten schwer litt, wirkte er,
     als sei er einer Belagerung durchaus gewachsen und denke nicht daran, sich dem Feind zu ergeben.
    Obwohl er fast täglich auf sein nahes Ende anspielte, tat er dies seltsamerweise in versöhnlichem Ton: er nahm dem Tod den
     Stachel, indem er über ihn sprach. Aus diesem Grund und weil er nicht glauben sollte, ich nähme das ständige Reden über sein
     nahes Ende ernst, kam ich nicht mehr auf das Thema zu sprechen, über das wir am Tag der Testamentserrichtung unterschiedlicher
     Meinung gewesen waren.
    Ich war mir übrigens selbst nicht mehr sicher. Nach reiflicher Erwägung des Für und Wider schien mir nun die von mir gepriesene
     römische Lösung sogar nachteiliger als ein Aufenthalt in Padua, gegen den ich mich so entschieden ausgesprochen hatte. Denn
     auch Rom barg große Risiken, sowohl für Vittoria wie für mich selbst. Für sie: schlimmstenfalls das Kloster, um den Ehebruch
     zu büßen. Für mich: das Hochgericht wegen der Ermordung Recanatis. Papst Gregor XIII. hatte mich zwar begnadigt, aber es ging
     das Gerücht, Sixtus überprüfe die »Be gnadigungen « seines Vorgängers und bringe tagtäglich Leute an den Galgen, die sich ihrer Verbrechen kaum mehr erinnerten.
    Da sich der Gesundheitszustand des Fürsten nicht veränderte, verlief der Sommer besser, als wir erwartet hatten, zumal wir
     drei warme, sonnige Monate ohne Regen und fast ohne Nebel hatten.
    Neben dem kleinen Hafen des Palazzo Sforza hatte der Fürst einen Badestrand anlegen lassen. Viele Wagenladungen Sand waren
     angeschüttet worden, halb an Land, halb im Wasser. Die Badestelle war von drei Seiten durch einen Bretterzaun abgeschirmt,
     um neugierige

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