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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Arm unter meinen Nacken und zog meinen Kopf an seine mächtige Schulter.
    »Na, Aziza, meine Wespe, was hältst du von meinen Cousins?« fragte er lächelnd.
    »Zwei Blutegel. Zwei Taugenichtse. Aber man kann sie nicht in einen Sack stecken.
Il bruto
empfindet trotz seines Beinamens so etwas wie Sympathie und Zuneigung für dich. Lodovico dagegen ist eine richtige Schlange.
     Für deine Geschenke hat er dir niemals Dank gewußt. Und jetzt, wo du den Geldbeutel zuhältst, haßt er dich.«
    »Und warum, glaubst du, hat er darauf bestanden, mich an Bord zu begleiten?«
    »Um Medici und Virginio anschließend Bericht erstatten zu können.«
    »Gut beobachtet, kleine Wespe. Du darfst nicht nur auf deine schöne Figur stolz sein, sondern auch auf dein kluges Köpfchen.«
    »Trotzdem verstehe ich nicht alles, Paolo. Warum hast du ihn an Bord genommen, obwohl du wußtest, was du weißt?«
    »Ich muß gewisse Rücksichten auf ihn nehmen. Falls es zum offenen Krieg gegen den Papst kommt, stellen er, sein Bruder und
     seine Gefolgsleute eine nicht unbeträchtliche Unterstützung dar. Außerdem genießt Lodovico Vertrauen beim einfachen Volk,
     ohne dessen Unterstützung eine Rebellion nicht möglich ist …«
    Ich hörte ihm zu. Er sprach ruhig, beinahe heiter. Und doch wollte er bei Einbruch der Nacht sein Leben einer Nußschale |169| auf dem entfesselten Meer anvertrauen. »Deine Chancen stehen eins zu hundert«, hatte Lodovico gesagt. Was würde aus mir werden,
     wenn Paolo stirbt? Von Virginio an einen neuen Herrn verkauft zu werden, bei Gott dem Allmächtigen, das könnte ich nicht ertragen!
     Ich hatte noch immer Abensurs kleinen Dolch, von dem mein Beiname herrührt. Und ich schwor, den Kopf auf der Brust meines
     angebeteten Fürsten, ihn nicht zu überleben.
    »Noch Fragen, Wespe?« wollte Paolo wissen.
    »Ja.«
    Ach, wie bereue ich heute dieses »ja«! Welche Qualen wären mir erspart geblieben, hätte ich es unterdrückt! Welcher Teufel
     hat mich wohl geritten, Paolos Gefühle ergründen zu wollen! Hätte ich statt mit »ja« mit »nein« geantwortet: ich weiß genau,
     was passiert wäre. Die stürmische See hätte uns auf seinem engen Bett gegeneinander geworfen. Das Begehren, das mich erschauern
     ließ, hätte auch das seine wachgerufen, zumal in Anbetracht der ungeheuren Gefahr, der er sich aussetzen wollte.
    Statt dessen war ich dümmer als eine Wespe, die immer wieder gegen eine Scheibe prallt. Ich stellte ihm die gleiche absurde
     Frage, die ihm schon Lodovico gestellt hatte und der Paolo ausgewichen war: »Wie soll man sich deine Liebe zu Vittoria erklären,
     wo du sie nur zwei Minuten gesehen hast?«
    Leider vermied es Paolo diesmal nicht, die Frage zu beantworten, sondern gab mir voller Elan und Begeisterung einen aufrichtigen,
     sehr detaillierten Bericht, ohne im mindesten zu bedenken, wie weh er mir damit tat. Denn er ist gewiß ein guter Herr, gerecht,
     geduldig, aufmerksam.
    »Als ich Vittoria bei Montalto begegnete«, hub er an und stemmte dabei das rechte Bein (das mit der Wunde) gegen die Bettkante,
     »sah ich sie nicht zum ersten Mal: ich hatte sie bereits zehn Jahre früher in Gubbio gesehen. Ich ritt damals an der Spitze
     eines stattlichen Trupps durch die kleine Stadt, und da ich noch etwas Zeit hatte, fragte ich einen gutgekleideten Passanten
     nach den Sehenswürdigkeiten im Ort. Es war ein alter Mann, dessen schwarze Augen vor Vergnügen funkelten, als er mir sagte:
     ›Ein anderer würde den Herzogspalast nennen. Aber ich sage Ihnen: Vittoria Accoramboni. Ach, und heute ist gerade Dienstag.
     Dienstags und sonnabends, am zeitigen Nachmittag, wäscht Vittoria ihr wundervolles Haar, das sie bei Sonnenschein auf einer
     Terrasse trocknen läßt, und die liegt nach |170| Süden und geht zur Straße. Dieses Schauspiel sollte man nicht versäumen, und solange mich meine alten Füße tragen, lasse ich
     es nicht aus. Wenn Ihr Lust habt, Signore, dann folgt mir. Ich bin gerade auf dem Weg dorthin.‹
    Ich fand den alten Kauz köstlich, der, schon dem Tode nahe, noch so viel Wert auf die platonische Betrachtung weiblicher Schönheit
     legte. Ich war neugierig und amüsiert, stieg ab, warf meinem Knappen die Zügel zu und folgte dem Alten, der mit kleinen, stolpernden
     Schritten vor mir herging. Unterwegs erzählte er mir, er heiße Pietro Muratore und fertige Bilderrahmen, die, wie er schelmisch
     versicherte, oft schöner seien als die Bilder selbst. Da er mich wegen meines Wamses aus

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