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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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es immer noch nicht glauben konnte, so unerreichbar
     erschien mir mein Idol sogar in diesem Augenblick, da ich mein Leben riskierte, um zu ihr zu gelangen. Aber selbst wenn ich
     zehn Leben hätte statt des einen, würde ich sie alle für Vittoria wagen.
    Ich behielt indes einen klaren Kopf und schrie Marcello auf der Bank vor mir knappe Befehle zu, entweder backbords oder steuerbords
     zu rudern oder gegenzuhalten, damit das Boot lotrecht zu den Wellen blieb und nicht schlingerte oder gar kenterte. Allerdings
     wußte ich, daß bei diesem Seegang die größte Gefahr nicht vom Meer ausging, sondern von der Küste, an der das Boot zu zerschellen
     drohte. Als die Lichter oben auf der Klippe verschwanden, begriff ich, daß wir sie nicht mehr sehen konnten, weil wir uns
     direkt unter der Steilwand befanden. Die nächsten Minuten würden über unser Leben entscheiden, je nachdem ob wir die Einfahrt
     zur Felsenbucht fanden oder nicht.
    Im letzten Licht des Tages konnte ich gerade noch die hohe Schaumkrone der Wellen erkennen, die sich am Fuße des Felsens mit
     ohrenbetäubendem Tosen brachen. Wir flogen mit solcher Geschwindigkeit darauf zu, daß es schien, als käme uns der Fels entgegen,
     um uns zu zermalmen. Bei der schlechten Sicht und dem Sturm mußte ich mich schnell entscheiden und dann alles dem Zufall überlassen.
     Ich schrie einen Befehl und drehte mehr nach links; die vor uns aufragende Wand schien wunderbarerweise nach rechts auszuweichen.
     Zu meiner unendlichen Erleichterung hatte ich die Einfahrt gefunden.
    Die Freude riß mich fast von der Bank, dauerte aber nicht lange an, denn das Wasser stürzte mit solcher Gewalt in die Bucht,
     daß wir trotz verzweifelter Anstrengung die Kontrolle |175| über das dahinrasende Boot verloren. Ich konnte noch das Riff an dem es umbrandenden Schaum erahnen. Es war nur einen Steinwurf
     weit weg, doch das Boot gehorchte unseren Rudern nicht mehr und wurde auf die Klippe geschleudert. Für einen Moment hatte
     ich die unsinnige Hoffnung, es könne ohne Schaden darüber hinwegkommen, doch es blieb hängen; eine zweite, noch höhere Welle
     riß uns von den Bänken und schleuderte uns in die enge Einfahrt, wo wir, halb schwimmend, halb willenlos getrieben, plötzlich
     Sand unter den Füßen spürten. Wir glaubten uns schon gerettet, da erlebten wir noch einen bangen Augenblick, denn die starke
     Brandung zog uns wieder seewärts, kaum daß wir Grundberührung gehabt hatten. Ich brüllte Marcello ins Ohr, möglichst tief
     unter der Brandungswelle in Richtung auf die Bucht zu tauchen und sich sofort mit beiden Händen in den Sand zu krallen. Der
     Sog der Brandung war jedoch so stark, daß er uns drei- oder viermal wieder wegriß, und wir wären sicher in diesem ungleichen
     Kampf unterlegen, hätte nicht das Toben der Wellen etwas nachgelassen, so daß wir schließlich die Grotte am Ende der Bucht
     erreichten.
    Zum Glück führte die Grotte nicht geradeaus in den Felsen, in der Achse der Dünung, sondern verlief etwas schräg dazu, so
     daß wir vor der Brandung geschützt waren, unserer Erschöpfung nachgeben und uns auf dem Sand niederlegen konnten, auch wenn
     wir nicht im Trockenen waren. Das Wasser, in dem wir regungslos ausgestreckt lagen, war kaum einen Fuß hoch, und seine sanfte,
     langsame Bewegung im Rhythmus der Brandung erschien mir im Vergleich zu dem soeben Erlebten wie freundliches Streicheln. Kleine
     Wellen überspülten mich manchmal bis zum Hals und kamen mir viel kälter vor als die Wogen, die uns eben noch in der Einfahrt
     zur Bucht hin und her geschleudert hatten. Die Kälte tat jedoch dem Gefühl von Behaglichkeit und Erleichterung, das ich empfand,
     wie ich da der Länge nach bis zur Brust, mitunter sogar bis zum Hals im Wasser lag, keinen Abbruch. Seltsamerweise muß ich
     trotz Nässe und Kälte für wenige Minuten eingeschlafen sein, denn ich spürte, wie mich Marcello rüttelte und mir zurief, der
     Wellengang habe weiter nachgelassen und wir sollten das nutzen, um die Stufen in der Felswand zu erklimmen. Ich entsinne mich,
     daß ich die wartende Vittoria völlig vergessen hatte und nur schmerzlich bedauerte, die Grotte verlassen zu müssen, in der |176| ich Zuflucht vor der feindlichen Welt gefunden hatte wie in einer Mutter Schoß.
    Sowie wir aus unserem Unterschlupf krochen, glaubten wir, in den Alptraum zurückzutauchen: Brecher von so ungeheurer Gewalt
     empfingen uns, daß es schien, als versuchten sie mit wütendem Haß, uns von

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