Idylle der Hyänen
verfaultem Obst, bis oben roch es so, bis in die Wohnung.
Den Haken an der Decke hatte sie nicht bemerkt, auch den Stuhl nicht, der mitten im Zimmer stand. Seine Hand. Sie traute sich nicht hinzusehen. Sie mußte hinsehen. Mit einer Hand umklammerte er ihren linken Knöchel, mit der anderen hielt er sich an ihrem rechten Unterschenkel fest. Sie schnaubte in Panik. Sie sah, wie er ihren Bauch anstarrte, der sich wölbte und senkte, schnell. Sie versuchte den linken Fuß so fest wie möglich auf die waagrechten Holzstreben des Stuhls zu pressen, auf denen normalerweise das Kissen lag, er hatte es auf den Boden geworfen, bevor er ihr die Schlinge um den Hals legte, flink und geschickt; sie hatte an ein Spiel gedacht.
Und dann die Frage, die er ihr ins Gesicht schrie. Die unaufhörliche Frage: WAS T UST DU M I T K AT I N K A? WAS T UST DU M I T K AT I N K A? Sein Atem prallte gegen ihr Gesicht. WAS T UST DU M I T K AT I N K A?
Was denn? flüsterte sie. Da hatte er ihr schon die Arme auf den Rücken gedreht und die Hände gefesselt. Dann fiel ihr ein zu schreien; heraus kam ein mickriger Laut. Er brüllte, sie solle das Maul halten. Und weil sie noch einmal einen Laut von sich gab, hielt er auf einmal den gelben Ball in der Hand. Und vor Schreck öffnete sie den Mund. Und er schlug den Ball zwischen ihre Zähne, umklammerte ihren Kiefer und ließ sie los. Daran erinnerte sie sich nachher, als sie schon auf dem Stuhl stand. Er hatte sie losgelassen und sich gebückt und von einer Rolle graues Klebeband abgerissen. Sie hatte ihm zugesehen, den Ball im Mund. Dann hatte er das Band über den Ball geklebt. Dann hatte er sie gepackt und auf den Stuhl gestellt, wie eine Puppe. Wie Katinka ihren Bären auf den Boden stellte, wenn sie mit ihm schimpfte, oder den Elch, um ihn zu streicheln.
WAS T UST DU M I T K AT I N K A? Er. Nicht. Laut. Ihr Fuß.
Ihr Fuß stand auf der Lehne, seine Hand umklammerte ihren Knöchel.
»Und jetzt den anderen Fuß«, sagte er.
Sie schüttelte den Kopf und hörte sofort damit auf. Das Seil schnitt tiefer in ihren Hals. Wenn der Stuhl umkippte, würde sie sich erhängen. Er packte ihren rechten Knöchel und zog das Bein nach außen, zur Lehne hin. Der Stuhl war ein Klappstuhl aus Holz, aber er hatte keinen festen Stand, vielleicht von der Sonne verzogen.
»Ich halt dich fest«, sagte er.
Das stimmte. Er hielt sie an den Beinen fest. Damit sie nicht umkippte, so krumm, wie sie dastand.
»Und hopp!« sagte er.
Er setzte ihren Fuß auf die Lehne und schaute zu ihr hinauf und starrte ihren rosafarbenen Slip an und ihren Busen; und wieder den Slip und wieder den Busen. Dann blickte er zum Haken an der Decke, an dem das Seil verknotet war, und in ihr nasses Gesicht; lange; eine Minute. Dann ließ er sie los.
Sie stand auf den gebogenen Stuhllehnen, den Kopf eine Handbreit unter der Decke, die Schlinge fest um ihren Hals gezurrt. Und er setzte sich auf den Stuhl, zwischen ihre Beine, und lehnte sich zurück, die Hände flach auf den Oberschenkeln.
»Was tust du mit Katinka?« sagte er mit leiser Stimme.
Alle kamen pünktlich. Innerhalb von fünfzehn Minuten trafen Neidhard Moll, Esther Barbarov, Gesa Mehling, Liz Sinkel, Micha Schell, Georg Ohnmus, Walter Gabler, Emanuel Feldkirch und Sigi Nick im Haus ein. Sie wurden von Valerie Roland begrüßt, die bereits zwanzig Minuten vor sieben Uhr erschienen war, um in Ruhe die Berichte, die Polonius Fischer in der Nacht getippt hatte, sowie die Faxe der Spurensicherung zu kopieren und zu verteilen, ebenso die sechs Tageszeitungen, von denen das Kommissariat drei abonniert hatte. Die übrigen drei, die die Abteilung nicht über das Präsidium abrechnen konnte, brachte Valerie jeden Morgen mit; auch für diese Ausgaben gab es in Weningstedts Büro ein Hartplastikschwein.
Nachdem Oberkommissar Micha Schell, der Kaffeebeauftragte für den Monat August, die Tassen verteilt hatte, begann am langen Tisch die erste Besprechung, während einen Stock tiefer die Sekretärin einen Anruf nach dem anderen entgegennahm.
»Fingerspuren en masse«, sagte Silvester Weningstedt und sah von den zwei kopierten Faxblättern auf. »Leider verläuft die Abgleichung bisher negativ, das kann sich noch ändern. Du hast vermutlich recht, P-F, Profis sind nicht beteiligt.«
Sowohl Weningstedt als auch Fischer hatten vor dem Eintreffen ihrer Kollegen eine kalte Dusche genommen – in den Büroräumen standen ihnen zwei Badezimmer zur Verfügung – und für ein paar Minuten
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