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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Polizeiinspektionen der Stadt und des Landkreises zu informieren und ein Foto des Mädchens bei der Pressekonferenz am Nachmittag im Präsidium zu verteilen – sofern sie in der Wohnung ein brauchbares Bild fanden.
    Wieder fuhren zunächst Esther Barbarov und Micha Schell zum Nothkaufplatz; später sollte Fischer nachkommen, der vorher eine Reihe von Gesprächen führen mußte, von denen er hoffte, sie würden nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen und seine Schritte vom innersten Kreis um den Fundort der Leiche zum nächsten, nach außen strebenden Ring beschleunigen.
    Doch schon das erste Gespräch konfrontierte ihn mit einem alltäglichen Grauen. Gleichgültigkeit.
    »Ich hab mich gemeldet, ich mach meine Aussage, fertig!« sagte Heiner Sobeck. »Muß das Ding da hängen?«
    »Stört Sie das Kruzifix?«
    »Ist das hier ein Beichtstuhl?«
    »Nein.«
    »Ich hab nichts zum Beichten, ich hab nur gesagt, daß ich die Frau aus der Zeitung kenn.«
    »Die Mutter Ihrer Tochter.«
    »Sagen wir so: ja, aber mehr nicht. Schreiben Sie das alles mit?« Er hatte sich zu Valerie Roland umgedreht, die mit ihrem Laptop am ovalen Bistrotisch saß.
    »Ja«, sagte Fischer. »Sie haben sich bereit erklärt, als Zeuge auszusagen, und ich habe Sie belehrt, daß Sie dazu verpflichtet sind.«
    »Ich laß mich ungern belehren, hab ich das schon gesagt?«
    »Noch nicht«, sagte Fischer. »Wann haben Sie Frau Schubart zum letztenmal gesehen?«
    »Vor vier Jahren ungefähr.«
    »Wie alt war Ihre Tochter damals?«
    »Keine Ahnung. Drei.«
    »Und jetzt ist sie sieben.«
    »Moment.« Er starrte vor sich hin, dann sagte er: »Genau. Die ist jetzt sieben. Die Zeit vergeht. Katinka. Peinlich. Ich hab zu ihr gesagt, so ein Name ist doch Wahnsinn für ein Kind. Aber.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was geht’s mich an?«
    »Bezahlen Sie Unterhalt für Ihre Tochter?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Geht Sie das was an? Ich hab mich freiwillig gemeldet, ich leg hier nicht meine finanziellen Verhältnisse offen. Meinen Getränkehandel führ ich steuerlich korrekt, für die Lieferungen ins Haus hab ich zwei Mitarbeiter, für die zahl ich Abgaben. Ich hab als Ich-AG angefangen, und jetzt hab ich eine Wir-AG. Wenn Sie es genau wissen wollen: Die Nele wollt mein Geld nicht. Hab ich gesagt: Ist mir recht und tschüß. Wir waren eh nicht verheiratet, sie war alleinerziehend, von Anfang an.«
    »Ihre Tochter haben Sie seit damals nicht mehr gesehen.«
    »Nein«, sagte Sobeck laut. Dann schaute er zu dem Kreuz in der Nische und wippte mit dem rechten Bein. »Jetzt: Sie haben mich belehrt, das ist anscheinend Ihre Pflicht, und es wird alles protokolliert, bin ich einverstanden, ich hab nichts zu vertuschen, aber Sie: Die Nele ist tot in dem Schrank gelegen, so steht’s in der Zeitung, aber was nicht drin steht, ist: wie tot? Ist sie erstickt? Ist sie erschossen worden? Erwürgt? Erschlagen? Das steht nirgends. Wieso verheimlichen Sie das?«
    »Wir kennen die Todesursache noch nicht«, sagte Fischer.
    »Also ist sie nicht erschossen worden, das würd man ja sehen.«
    »Sie ist nicht erschossen worden.«
    Sobeck drehte den Kopf, warf Valerie einen Blick zu. »Sie hat immer schon die falschen Typen gekannt.«
    Fischer unterließ eine Anspielung. »Können Sie mir einen Namen nennen?«
    »Ich kenn doch die nicht! Die sind doch mir egal. Wir waren drei Jahre zusammen, brutto, in Wirklichkeit wahrscheinlich ein Jahr. Als die Kleine auf die Welt gekommen ist, hat Nele keine Zeit mehr gehabt, für uns, für den Sex, wir haben getrennt gewohnt, war mir recht. Später hab ich rausgekriegt, daß sie einen anderen hatte, der hat sie eingeladen, der hat Klamotten für das Kind gekauft. Hab ich sie zur Rede gestellt. Sie hat alles zugegeben. Dann hat sie sich wieder eingekriegt, und wir haben noch eine gute Zeit gehabt, im Bett und sonst auch. Außerdem war die Kleine meine Tochter. Aber ich hab mich schwergetan, das geb ich zu. Ich hab Maurer gelernt, ich war gut, aber dann hat’s uns weggeschwemmt, als die Osteuropäer eingefallen sind, die haben für zehn Euro auch am Wochenende malocht. Ich nicht, ich hab ein Selbstwertgefühl. Arbeitslosengeld, nick ich ab. Aber eine Lösung ist das nicht. Also hab ich mich selbständig gemacht. Aber mit Kind im Rücken – schwierig.«
    »Sie waren froh, daß Nele Schubart keinen Unterhalt von Ihnen wollte.«
    »Auch. Ich hab keinen Draht zu dem Kind gefunden. Was wird jetzt aus der Kleinen? Kommt die ins Heim? Wo

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