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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sämtliche Fenster geöffnet; von draußen wehte Blütenduft herein, der Himmel war bewölkt, aber es regnete nicht mehr. Im Gegensatz zu Fischer hatte Weningstedt seine Krawatte noch nicht wieder umgebunden.
    Neidhard Moll stellte die Kaffeetasse hin und räusperte sich. »Über die Zahl der Täter können die Kollegen noch keine Angaben machen.«
    »Ja«, sagte Walter Gabler. »Aber am Schrank haben sie dieselben Spuren wie am Gitter gefunden, keine sonstigen frischen Abdrücke, das deutet auf einen einzigen Täter hin.«
    »Warum?« fragte Liz, die, wie Fischer bei der Begrüßung aufgefallen war, nicht mehr das blaue Band am Handgelenk trug. »Der zweite Täter könnte Handschuhe getragen haben.«
    »Warum?« fragte Fischer zurück.
    »Vielleicht weil er bei uns registriert ist.«
    Das Telefon klingelte. Valerie stellte einen Anruf aus dem Pathologischen Institut durch, und Weningstedt schaltete die Mithöranlage ein.
    »Moin, moin«, sagte Dr. Justus Dornkamm.
    »Nudis verbis: eine Paketschnur, doppelt um den Hals geschlungen, kein Strick, kein Seil, eine simple Paketschnur. Nicht gerissen. Und sie lag direkt auf der Haut auf, kein Versuch, die Tat zu kaschieren. Eingedenk der Größe und des Gewichts der Frau war die Schnur nicht länger als zehn Zentimeter; die Frau hing frei in der Luft, schlug mit den Beinen an einen Gegenstand, das haben wir schon in der Tiefgarage festgestellt. Kein Zweifel an vitalem Erhängen. Fremde Haare auf der Haut, die DNA wird gerade ermittelt. Sind brauchbare Fingerspuren gefunden worden?«
    »Ja«, sagte Weningstedt. »Aber sie sind nicht im Computer.«
    »Täter ohne Handschuhe? Kann ich bestätigen: Kratzspuren an der Schulter, am Hals, unter den Achseln, eindeutig Fingernägel. Der Täter hat die tote Frau abgehängt und getragen, geschleppt. Ist die Kleidung schon analysiert?«
    »Nein.«
    »Außerdem Spuren von Filz im Mund, möglicherweise ein Ball, er war mit einem Klebeband fixiert, eindeutige Spuren im Gesicht, am Mund, auf den Wangen. Die Frau war an den Händen gefesselt, das haben Sie im Keller sehen können, und zwar am Rücken, dieselbe Paketschnur, vermute ich, Sie werden es bald von Ihren Kollegen erfahren. Todeszeit: fünfunddreißig bis vierzig Stunden vor der Auffindung, das heißt Freitag abend.«
    »Können Sie etwas über die Art der Schlinge aussagen?« fragte Weningstedt.
    »Eine einfache Schlinge, vielleicht eine Lassoschlinge, die kann jeder.«
    »Dr. Dornkamm?«
    »Ja?«
    »Ist es sicher, daß die Frau erhängt wurde?« fragte Liz Sinkel. »Könnte sie sich nicht selbst getötet haben?«
    »Sie war gefesselt. Es gibt keinen Grund und keinen Hinweis darauf, daß sie erst nach ihrem Tod gefesselt wurde. Ich habe keine Mikrofaser an ihren Händen gefunden, sie hatte die Schnur definitiv nicht in der Hand. Also hat sie es nicht selber getan. Diese Frau ist ermordet worden.«
    »Wäre es möglich, daß ihr Tod ein Versehen war?«
    »P-F? Grüß Gott. Ihre Frage ist interessant, Sie meinen, jemand wollte der Frau Angst einjagen, indem er ihr eine Schlinge um den Hals legt und… Das habe ich vergessen zu erwähnen, meine Zettelwirtschaft ist heute noch weit jenseits meines schlechten Rufs. Die Füße der Frau, Spuren von Verstrebungen; sie hat nicht auf einer planen Fläche gestanden, also auf einer Kiste oder etwas Ähnlichem, eher auf einem Stuhl. Unter uns und ohne Zeugen würde ich sagen: auf einem Gartenstuhl aus Holz, ich habe Partikel von brauner Farbe gefunden, Details folgen; es ist möglich, daß wir noch ein Imprägnierungsmittel herausfiltern, was wiederum für ein Gartenmöbel sprechen würde. Also, P-F, zurück zu Ihrer Frage: Jemand wollte die Frau einschüchtern, und dann hat sie sich in Panik erhängt? Es gibt keinen Hinweis, dies auszuschließen, vielmehr deuten die Abschürfungen und Verletzungen am Nacken, am Hals, an den Knöcheln darauf hin, daß eine immense Gegenwehr im Moment des Erhängens stattfand. Die Frau wurde von so heftigen Zuckungen geschüttelt, daß sie den Ball ausspuckte, sie hat sich tief in die Zunge gebissen, was mit dem Ball im Mund nicht möglich gewesen wäre. Vielleicht entspricht Ihre Vermutung der Wahrheit.«
    »Trug sie eine Kapuze oder etwas, das ihr Gesicht verdeckte?« fragte Micha Schell.
    »Keine Spuren«, sagte Dr. Dornkamm.
    Nach dem Gespräch betrachteten die Kommissare eine Weile wortlos die Fotos vom Tatort. Dann einigten sie sich darauf, die Tochter der Toten zur Fahndung auszuschreiben, die

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