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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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wegen Sehnerl und ihrem Sehnen. Wegen der anderen Frau, die ich nicht kenn. Hat so sein müssen. Sie sind auch überrascht. Obwohl Sie ein Mönch gewesen sind und mit den göttlichen Dingen vertraut. Kommen da rein zum Chinesen, da sitz ich, Zeuge, und bezeug was ganz anderes. Verrottetes Leben. Ich wollt Sie wegschikken. Hab gleich gesagt: Hau ab! Aber du, aber Sie. Hau ab wär besser gewesen. Ich hab die Frau nicht ermordet. Die eine nicht und die andere nicht. Die Ines hab ich erlöst, weil sie das so wollt. Sie hat mich auserkoren. So ist das. Jetzt komm ich in die Sendung meiner Frau. Ich bin jetzt eine Tagesaktualität. Aber sie wird nichts kapieren. Und niemand. Hätt ich nicht tun dürfen. Das alles. Hätt rechtzeitig meine Hände wegnehmen sollen vom Hals. War in ihr. Hab sie dann zugedeckt und mich bekreuzigt. So.«
    Flies bekreuzigte sich mit der rechten Faust und formte wieder den Lenkstangengriff. »Ist nicht auf der Welt angekommen. Sehnerl.«
    Er ließ die Arme sinken und stieß einen Seufzer aus. Dann legte er die Hände auf die Knie und blickte zur Tür, nickte und schob die Unterlippe vor.
    Polonius Fischer bewegte sich nicht von der Stelle. »Wissen Sie, was Idolatrie bedeutet?« Flies sah ihn mißtrauisch an.
    »Wo befindet sich die Leiche von Ines Gebirg? In ihrem Heimatdorf?«
    Flies wischte sich über die nassen Augen. »Wo sonst?«
    »Wo genau?«
    Nach einem Moment des Schweigens stand Flies auf, überlegte und ging auf die Tür zu.
    »Kann einen Psalm. Weiß ich auswendig. Sag ich Ihnen unterwegs auf. Können Sie das Radio sparen!«
    »Der geht so, der Psalm«, sagte er auf der Rückbank des Dienstwagens, die Hände im Schoß, mit Handschellen gefesselt.
    Silvester Weningstedt begleitete Fischer nach Schild auf der Höh. Ihre Kollegen von der Spurensicherung fuhren ihnen hinterher, ihnen folgte ein zweiter Wagen der Mordkommission mit Emanuel Feldkirch und Liz Sinkel.
    »Mit lauter Stimme schreie ich zum Herrn, laut flehe ich…«, begann Flies.
    »Seien Sie still«, sagte Fischer.
    »Ist ein Psalm.«
    »Seien Sie still.«
    »Den Psalm hat Ines mir beigebracht.«
    Zur völligen Überraschung nicht nur seines Vorgesetzten, sondern auch der Kollegen in den Autos hinter ihm scherte Fischer auf den Seitenstreifen aus, schaltete die Warnblinkanlage ein und hielt an.
    Zuerst blieb es still. Weningstedt, der sich verschämt unter seinem Sakko gekratzt hatte, wagte nicht, die Hand zu bewegen.
    Fischer löste seinen Sicherheitsgurt und wandte sich nach hinten, wo Flies mit den Handschellen über seine Oberschenkel rieb. »Kein Wort mehr. Nur noch, wenn Sie als Zeuge befragt werden. Haben Sie das verstanden? Antworten Sie.«
    »Ja.«
    »Wenn Sie die Geschichten Ihrer Kindheit loswerden wollen, erzählen Sie sie Ihrem Anwalt oder dem Richter, aber erzählen Sie sie nicht mir. Ich habe ihnen notgedrungen zugehört, weil Sie für mich zu einer besonderen Spezies von Lügnern gehören. Sie sind allen Ernstes von sich überzeugt. Das sind die wenigsten. Die meisten wollen uns nur täuschen, uns, die Polizei, sie denken sich Strategien aus und halten eine Zeitlang daran fest und scheitern. Die meisten Lügner sind Dilettanten. Von jetzt an machen Sie nur noch Aussagen zur Sache, und ich bitte Sie, da ich es Ihnen nicht verbieten kann: Lassen Sie in meiner Gegenwart das Wort Gott weg. Haben Sie das verstanden?«
    Flies starrte auf seine gefesselten Hände.
    »Haben Sie das verstanden?«
    »Yes.«
    Fischer zögerte und fügte mit ruhiger Stimme hinzu: »Und nehmen Sie Ihr Leben nicht allzu persönlich, Herr Flies.«
    Der Mann auf der Rückbank brachte den Mund nicht zu.
    »Was?« sagte er tonlos. Fischer entgegnete nichts.
    »Wie…? Das ist… das einzige… was ich hab…«
    »Nehmen Sie Ihr Leben nicht allzu persönlich«, wiederholte Fischer ohne besondere Betonung.
    »Von mir aus, aber…«
    Aber Fischer hörte nicht mehr zu. Er drehte den Zündschlüssel, drückte auf die Hupe als Zeichen für seine Kollegen und setzte die Fahrt auf der Autobahn fort.
    Weningstedt kannte den Satz aus früheren Vernehmungen, und er beunruhigte ihn jedesmal. Im Grunde war es eine Erschütterung, die der lapidar dahingesprochene Satz beim Leiter der Mordkommission auslöste.
    Sie lag auf einer schmutzigen Wolldecke, eingehüllt in ihr rotes Cape, im ehemaligen Leichenschauhaus von Schild auf der Höh, dort, wo Sebastian Flies sie nach der Tat am See abgelegt hatte. Offenbar hatte niemand ihn beobachtet, wie er mit einem

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