If you leave – Niemals getrennt
hat dieses Mädchen uns alle beobachtet, von der Stelle aus, wo die Sanitäter sich um sie kümmerten. Die andere weibliche Gefangene hat geweint, während der Mann den Kopf in seinen blutigen Händen vergraben hatte. Aber nicht dieses Mädchen.
Dieses Mädchen hatte den Kopf hoch erhoben, und sie hat uns alle beobachtet, während die Sanitäter ihre Lebensfunktionen überprüften und sie untersuchten.
Auch jetzt starrt sie mich an, mit klaren, leuchtenden Augen.
»Erinnern Sie sich an mich?«, fragt sie leise. »Ich war zusammen mit einer anderen Sanitäterin und einem Arzt unterwegs, als wir auf dem Weg zur grünen Zone in Kabul aus unserem Humvee entführt wurden. Ihr Trupp hat das Talibanlager gestürmt und uns gerettet.«
Einige Soldaten im Kreis mustern mich mit stillem Interesse, als ich knapp nicke.
»Ja«, antworte ich schließlich, »ich erinnere mich. Ich habe nie vergessen, wie Sie den Kopf oben hielten, während die anderen weinten.«
Sie lächelt grimmig.
»So konnte ich bei Verstand bleiben«, erklärt sie mir mit schmerzhaft dünner Stimme. »Ich habe mir immer wieder gesagt, egal, was sie mir antun, meinen Stolz können sie mir nicht nehmen. Sie können mir nicht das Recht nehmen, tapfer zu sein oder ihnen in die Augen zu sehen, wenn sie mich vergewaltigen. Sie konnten mit mir machen, was sie wollten, aber ich konnte nur reagieren, indem ich mein Bestes tat. Also habe ich ihnen in die Augen gesehen, egal, was sie mir angetan haben, denn ich wollte nicht, dass sie glaubten, sie hätten mich gebrochen.«
Ich sehe sie an, die Tapferkeit dieses Mädchens, die selbst jetzt hell in ihren Augen leuchtet. Aber da ist noch etwas, etwas Qualvolles und Trauriges. Etwas, das mich veranlasst, eine unverblümte Frage zu stellen.
»Haben sie das denn? Haben die Sie gebrochen?«
Sie schweigt. Genau genommen ist der gesamte Raum still. Wenn jetzt jemand eine Stecknadel fallen ließe, würde ich es hören. Ich frage mich, ob die Frage unangebracht oder unverschämt ist, aber die Therapeutin interveniert nicht.
Schließlich nickt das Mädchen.
»Deshalb bin ich hier. Ich war direkt danach in therapeutischer Behandlung, aber ich wollte nicht klein beigeben und die komplette stationäre Therapie machen. Es gab mir das Gefühl, schwach zu sein, so als würde ich die gewinnen lassen, wenn ich das mache. Aber schließlich habe ich begriffen, dass ich sie, wenn ich der PTBS für den Rest meines Lebens die Kontrolle überlasse, gewinnen lasse. Wenn ich weiterhin jede Nacht im Schlaf ihre Gesichter sehe,
dann
lasse ich sie gewinnen. Das hier« – sie hält inne und macht mit dem Arm eine Bewegung, die den ganzen Raum einschließt –, »
das hier
bedeutet, dass ich gewinne. Dass ich sie in ihre feigen Ärsche trete.«
Die anderen Soldaten brechen in Beifall aus, und ich beobachte einen Moment lang schweigend die Gruppe. Sie alle scheinen sie zu unterstützen, und nicht auf einem einzigen Gesicht ist Ablehnung zu erkennen. Mir wird bewusst, dass ich nicht klatsche, also stehe ich auf und klatsche mit, während ich dem Mädchen in die Augen starre.
Als der Applaus schließlich endet, setze ich mich wieder, und das Mädchen steht auf, durchquert den Stuhlkreis und bleibt vor mir stehen.
»Ich hatte nie die Möglichkeit, Ihnen zu danken«, sagt sie. »Ich kann gar nicht glauben, dass Sie hier sind … dass Gott Sie irgendwie auf meinen Weg gelenkt hat, damit ich Ihnen danken kann für das, was Sie getan haben. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie dankbar ich Ihnen und Ihren Männern dafür bin, dass ich an jenem Tag aus der Hölle befreit wurde. Sie haben mein Leben gerettet.«
Damit nimmt sie Haltung an und salutiert vor mir.
Ich kann nicht beschreiben, welche Gefühle mich in diesem Augenblick überrollen.
Als Ranger habe ich meinen Job gemacht und bin danach in unser Camp zurückgekehrt. Ich bin nicht dort geblieben, um mit irgendjemandem zu reden. Dieses Mädchen hier so zu sehen, das ist eine Erinnerung daran, dass mein Job einen Sinn hatte. Und zwar nicht irgendeinen. Vieles davon war hässlich und gnadenlos, aber wir haben ein paar Leben gerettet.
Wir haben
ihr das
Leben gerettet.
Vielleicht bin ich alles in allem doch kein so wertloser Wichser.
Ich stehe auf und erwidere ihre Ehrenbezeugung.
Wieder brechen alle Anwesenden in Applaus aus, und die stille Andacht ist beendet.
Der Rest der Sitzung zieht sich hin, aber endlich ist es Zeit, zum Ende zu kommen, und alle gehen hinaus. Die Sanitäterin
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