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Ihr Kriegt Mich Nicht!

Ihr Kriegt Mich Nicht!

Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
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verzweifelt.«
    »Die werden wir schon finden«, sagte Mik.
    »Komm zum Essen nach Hause. Um eins wär eine gute Zeit, oder?«
     
    Nach Hause, dachte Mik, während er durch den fallenden Schnee lief. Tony fehlte ihm, das war klar. Und Ploppy. Und der Geruch im Treppenhaus.
    Die Schneeflocken fielen herab, Tausende, Millionen, Milliarden. Er legte den Kopf in den Nacken und streckte die Zunge heraus. Die Flocken landeten kalt darauf und schmolzen.
    Nach Hause?
    Die Schule fehlte ihm nicht. Lisa Nordahl und ihr verschwitzter grüner Stuhl fehlten ihm nicht. Das Geklirr von Flaschen fehlte ihm auch nicht. Und auch das Hallenbad in Solna nicht. Die Liste von Sachen, die ihm nicht fehlten, ließ sich beliebig verlängern. Er hatte sich entschieden. Er war hierhergezogen. War zu Hause ausgezogen. Da konnte die Frau mit den Papageienan den Ohren sagen, was sie wollte. Tot oder lebendig. Er würde nicht von hier wegfahren.
    Von den Schneeflocken wurde ihm schwindlig. Er senkte den Blick und sah Gustavssons Hund. Mik ging in die Hocke, zog die Handschuhe aus und presste den Schnee zwischen den Händen zu einer feuchten Kugel.
    »Wie wär’s mit einem Eisball mitten ins Auge?«
     
    Marias grau verwittertes Haus sah trist aus. Es lag am Dorfrand. An dem schiefen Schornstein fehlten ein paar Ziegelsteine. Die Fernsehantenne war rostig, keine Spur von einer Parabolschüssel. Die Fenster waren gähnende Löcher, ohne Vorhänge oder Blumen. Pi hielt die Katze in den Armen.
    »Deine Hose hat Löcher«, bemerkte Oskar.
    »Hab daneben getroffen«, sagte Mik.
    »Womit?«
    »Mit dem Eisball.«
    Filip stand schweigend da und sah aus, als hätte er den Mund voller roter Ameisen.
    »Was ist denn mit dir los?«, fragte Pi und stieß ihn an.
    »Wir hätten ihre Katze nie nehmen dürfen.«
    »Was denn?«, sagte Pi. »Die ist doch entlaufen, und wir haben sie gefunden. Das ist unsere Spezialität.«
    »Ich geh da nicht rein«, sagte Filip.
    »Dann kannst du auch das Geld vergessen«, sagte Pi.
    »Ist mir scheißegal. Die Frau ist doch total krank. Das hier ist ein Spukhaus.«
    Filips Handy klingelte. Er antwortete und sagte dann, er müsse zum Essen nach Hause.
    »Na, das passt ja perfekt«, sagte Pi. »Gibt’s ein feines Breichen?«
    »Ich hab überhaupt keinen Schiss«, sagte Filip. »Aber das Essen wartet.«
    Filip ging los. Oskar kickte unschlüssig mit den Stiefeln in den Schnee und sagte: »Muss man mit reinkommen, um was vom Geld abzukriegen?«
    »Ja«, sagte Pi.
    »Und wenn ich bleibe und hier direkt vor der Tür warte, was krieg ich dann?«
    »Schnee auf die Mütze«, sagte Pi.
    »Dann pfeif ich auf die ganze Sache.«
    Oskar rannte hinter Filip her und verschwand mit ihm im Schneegestöber.
    Mik war klar, dass dies jetzt die Gelegenheit war, Pi zu zeigen, wie mutig er war. Er durfte es nicht vermasseln. Was auch immer ihn in dem Haus erwartete, es würde ihn nicht umwerfen. Wenn nötig, würde er aufrecht stehen bleiben und sterben.
     
    Der geräumige Eingangsflur war dunkel. Eine breite geschwungene Treppe führte ins Obergeschoss hinauf. An den Wänden hingen Schnüre herab.
    »Hallo!«, rief Pi und lief weiter.
    Die Schnüre waren kreuz und quer durch sämtliche Räume gezogen, als hätte irgendein Verrückter kilometerweise Wäscheleinen aufgespannt. Oder eine Spinne, dachte Mik, eine Spinne, die ein riesiges Netz gespannt hat. An den Schnüren hingen Sachen, getrocknete Blumensträuße oder vielleicht auch Früchte, das ließ sich schwer erkennen. Mik betrat einen großen Raum und suchte nach einem Lichtschalter, fand aber keinen.
    Pi war verschwunden. Er lief schnell ins nächste Zimmer. Dort stand eine alte Frau. Sie trug ein seltsames silberglänzendes Gewand, das mit rotgoldenen Schnörkeln bestickt war.
    »Hallo«, sagte sie lächelnd.
    Das, was an den Schnüren hing, waren keine Blumen. Mik stieß einen Schrei aus. Büschelweise hingen tote Tauben herab und drehten sich an den Füßen im Kreis. Ein Strauß nach dem andern aus toten, getrockneten Tauben. Kalte Schauer jagten Mik über den Rücken, er wollte nur noch fliehen.
    »Diese Tauben«, sagte Mik.
    »Nein, das sind Engel«, sagte die Frau. »Ich fange Engel.«
    Mik stürzte zur Tür. Verstrickte sich in Schnüren, zerrte und riss, wurde gefangen und fiel. Kroch, krabbelte und stieß mit dem Gesicht gegen eine tote Taube. Federn wirbelten um ihn herum, Federn drangen ihm in den Mund, er spuckte, fauchte und fuchtelte mit den Armen. Erreichte die Tür und warf sich

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