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Ihr Kriegt Mich Nicht!

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Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
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U-Bahn, Eisenbahn, Ampeln und Rolltreppen fehlen hier. Lena hat nicht mal Fernsehen. Das ist komisch. Sogar Bengt und Bertil haben Fernsehen mit Schüssel. Ohne Schüssel kriegt man bloß TV2 rein. Der Granberg ist im Weg.
     
    Mik las den Brief durch. Er hatte alles Wichtige geschrieben und hielt es für einen guten Brief, wenn man bedachte, dass es sein erster war. Doch dann fügte er hinzu:
    Ich bleibe hier. Lena hat versprochen, dass ich das darf.
    Pi, die ist …
     
    Mik sah zum Fenster hinaus, drehte den Stift zwischen den Fingern und dachte: Sie ist … Was für Worte gibt es dafür? Plötzlich kam er in ein Gebiet, das auf der Karte ganz weiß war, in dem die Worte fehlten. Er schrieb:
    Sie ist in Ordnung. Ich mag sie.
    Wie geht es dir? Tschüss.
    MIK
     
    Die Treppe knarrte. Lena kam herauf und brachte Brote und Milch mit. Mik bedeckte den Brief mit den Händen.
    »Schreibst du eine neue Wunschliste?«
    »Nein. Bloß einen Brief. An Tony.«
    »Aha. Ich kann ihn für dich auf die Post bringen.«
    »Das mit der Liste ist mir egal. Ist echt kindisch. An den Weihnachtsmann schreiben bloß kleine Kinder.«
    »Ich glaub auch nicht an den Weihnachtsmann«, sagte Lena und stellte das Tablett ab. »Weihnachten ist sowieso nicht unbedingt mein Ding.«
    Mik nahm ein Brot und sagte kauend: »Ich glaub auch nicht an Weihnachten.«
    Lena legte ihre Hand auf seinen Kopf und strich ihm zärtlich über den Nacken.
    »Versprich mir, nie aufs Eis rauszugehen.«
    »Ja. Aber mit Bengt darf ich doch zum Angeln raus?«
    »Sicher, aber nie allein. Und immer mit warmen Schuhen.«
    Lena überlegte kurz und verbesserte sich dann: »Schließlich ist er selbst eingebrochen, also …«
    »Bengt ist dick und schwer. Ich wiege überhaupt nichts. Und er hatte kein Messer dabei.«
    »Also gut. Aber nie allein.«
    »Ja, versprochen.«
DER WEIHNACHTSMANN RIECHT NACH HECHT
    Es war Heiligabend, und Mik fiel ein, dass er Donald Duck im Fernsehen verpassen würde. Doch das war nicht so schlimm, die Sendung hatte er ja schon oft gesehen. Trotzdem, eine Orange, dazu Donald und Micky und Ahörnchen und Behörnchen, dann Jimmy Grille – wenn Jimmy sang, das war doch überhaupt der eigentliche Moment, wo Weihnachten anfing, oder?
    Lena hatte keinen Fernseher. Darüber hatten sie gesprochen.
    »Muss man denn einen haben?«, fragte Lena.
    Mik überlegte eine Weile und kam dann zu dem Schluss, dass man das wahrscheinlich nicht musste. Ganz sicher war er sich aber nicht. Komisch war es schon. Alle hatten doch einen Fernseher. Es war, als hätte man keine Toilette oder keinen Herd. Oder keine Kleider.
    »Das ist eine grundsätzliche Entscheidung«, erklärte ihm Lena. »Weder Fernsehen noch Radio oder Zeitungen dürfen in meinem Leben den Alltag bestimmen.«
    Was Lena damit meinte, hatte er nicht so recht begriffen, aber er hatte verstanden, dass er Donald verpassen würde.
    »Du kannst um drei zu Bengt runtergehen«, sagte Lena, »der hat so eine Riesenkiste. Aber vorher backen wir uns eine Pizza.«
    Andere Sachen waren ebenfalls anders und seltsam. Lenas Haus war nicht geschmückt. Kein Weihnachtsbaum, kein Lametta, keine Weihnachtsmänner, keine Engel, gar nichts. Nur Eisblumen an den Fenstern, die sahen schön aus und waren ein Zeichen, dass es draußen fürchterlich kalt war. Wenn die Kälte unter zwanzig Grad sank, wuchsen sie an den Fenstern.
    »Ich leide an einer Weihnachtspsychose«, sagte Lena. »In weihnachtshysterischen Häusern kriege ich Panik und allergischeReaktionen. Dieses ganze Weihnachtsding macht mich krank.«
    »Warum denn?«
    Sie überlegte eine Zeit lang, zuckte die Schultern.
    »Miese Weihnachten in der Kindheit.«
    »Papa hat mir letztes Jahr einen Eishockeyschläger und einen Puck geschenkt.«
    Das Telefon läutete. Lena antwortete, sagte ein paar kurze Sätze, legte auf und drehte sich zu Mik um:
    »Hilma hat sich beim Sahnebonbonkochen verbrüht. Es ist nicht weiter schlimm. Aber vielleicht könntest du ihr rasch eine Salbe vorbeibringen?«
     
    Mik zog Stiefel an, seine Thermohose, die Steppjacke, Handschuhe, Mütze und Schal, dann trat er in die stille, kalte Winterlandschaft hinaus. Er fühlte sich wie ein Astronaut, ausgerüstet, um zweihundert Minusgrade zu überleben. Er sah sich um, holte das Handy heraus und hielt es wie ein Mikrofon vor den Mund: »Der Astronaut auf dem fremden Eisplaneten berichtet dem Mutterschiff. Alles ist funkelnd weiß, es knarzt unter den Füßen, manchmal knirscht es auch. Die Luft lässt sich

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