Ihr letzter Tanz
hätten mehr. Das ist das Traurige an dieser Arbeit. Haben wir erst einmal einen Verdächtigen, dann leistet die Forensik wahre Wunder. Aber solange wir nicht mal den Hauch einer Ahnung haben, wer in Frage kommen könnte … Hier. Hier ist der alte Vorgang. Sally Grant.“ Sie überflog die Unterlagen, ehe sie sie an Quinn weitergab. „Zweiundzwanzig, ging auf dem Straßenstrich anschaffen. Ihre letzte Adresse war eine Pension mit ziemlich schlechtem Ruf. Drogen wurden da zwar nicht gedealt, aber man wird nicht nach seiner Vorgeschichte befragt, und solange man die Tür geschlossen lässt, kümmert sich niemand darum, was man in seinem Zimmer treibt. Sie kam aus Oklahoma. Eltern tot, ein Bruder, der sich aber nicht um die Tote gekümmert hat. Wollte nur wissen, ob eine Lebensversicherung ausgezahlt wird. Ich muss sagen, ihr Fall war besonders traurig. Jake fand das auch. Wir haben überall gefragt, das Drogendezernat schaltete sich auch ein. Die Clubs wurden durchforstet, aber egal, wo wir gesucht haben, es war absolut nichts zu finden.“ Sie hielt einen Moment inne. „Wir haben hier auf der Wache gesammelt, damit sie wenigstens anständig beerdigt werden konnte. Das Bestattungsunternehmen kam uns auch noch ein Stück weit entgegen.“
Quinn nickte nachdenklich, nahm die Akte entgegen und setzte sich hin. Anna faltete die Hände und sah ihn an. „Ich hole auch die Akte Sonya Miller. Jake ist davon überzeugt, dass ein Zusammenhang besteht, aber bislang haben wir nichts entdecken können. Sonya Miller hatte Geld und eine Familie, die sich auch nach ihrem Tod noch um sie kümmerte. Die beiden Frauen kommen aus grundverschiedenen Welten.“
„Das sehe ich.“
Sally Grants Fall war wirklich sehr traurig. Die Fotos vom Tatort zeigten eine sehr junge Frau, die mit weit aufgerissenen Augen ins Nichts starrte. Ihr langes braunes Haar lag auf dem Fußweg ausgebreitet. Sie erinnerte ihn ein wenig an Marnie.
Er sah zu Anna auf. „Kein Hinweis auf ein Sexualverbrechen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Sally war eine Nutte, das wurde uns von genügend Leuten bestätigt. Aber an dem Abend hatte sie noch keinen Freier gehabt.“
„Es könnte ein Unfall gewesen sein“, gab Quinn mit finsterer Miene zu bedenken.
„Ganz sicher nicht. Sie wurde auf dem Fußweg gefunden, die Nadel steckte noch im Arm. Aber das Ganze war inszeniert, und zwar sehr schlecht. Wo war ihr Fixerbesteck? Das hätte in der Nähe der Toten liegen müssen. Aber Fehlanzeige. Sie ist mit absoluter Sicherheit ermordet worden.“
„Zwischen den beiden Todesfällen liegen mehrere Monate“, überlegte Quinn.
„Stimmt. Aber trotzdem glauben wir an einen Zusammenhang. Wenn ich das richtig verstehe, ermitteln Sie im Fall des ,zufälligen‘ Todes dieser Tänzerin?“
„Ja, genau.“
„Ich wünschte, der Fall wäre Jake und mir zugeteilt worden. Ist leider nicht geschehen, Dixon hat ihn für abgeschlossen erklärt. Allerdings muss ich auch eingestehen, dass ich nicht wüsste, welche Verbindung wir hätten finden können. Die Tänzerin starb wegen einer Kombination aus Medikamenten- und Alkoholmissbrauch. Da waren keine illegalen Drogen im Spiel.“
„Richtig. Es ist nur so, dass kurz zuvor eine andere Frau starb, weil sie die verschriebenen Medikamente in zu hoher Dosis nahm.“
Anna nickte. „Nell Durken. Joel Kylie bearbeitet den Fall. Er sagt, die Verhaftung sei wegen Ihrer Unterlagen ein Kinderspiel gewesen.“
„Tja, allerdings bin ich längst nicht mehr so überzeugt davon, dass der Ehemann der Täter ist.“
Sie sah ihn überrascht an. „Aber seine Fingerabdrücke waren auf dem Fläschchen. Wieso zweifeln Sie jetzt?“
„Zum einen, weil er seine Unschuld beteuert“, antwortete Quinn.
„Das sagen die meisten Mörder, das wissen Sie selbst. Sie können ihm zusehen, wie er den Abzug betätigt, und trotzdem leugnet er es.“
„Ich bin Ihrer Meinung, dass die beiden Todesfälle zusammenhängen. Und ich glaube, es gibt auch eine Verbindung zu den Drogentoten.“
„Quinn, es gibt noch mehr Drogentote. Aufs Jahr gesehen kommen wir hier im Großraum auf Hunderte von Drogenopfern. Sie haben mal bei der Polizei gearbeitet, Sie wissen, wie viele Fälle ungeklärt bleiben.“
„Leider weiß ich das.“
„Und wie kommen Sie dann darauf, dass es zwischen
diesen
Morden einen Zusammenhang geben muss?“
„Nell hat im
Moonlight Sonata
Tanzstunden genommen, Lara Trudeau hat da gearbeitet. Die Stelle, wo Sonya Miller gefunden wurde, ist
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