Ihr letzter Tanz
Coaching.“
„Der heutige Tag wird ganz sicher keine Ausnahme sein“, bekräftigte Shannon, sah dann aber Jane fragend an. Auch wenn sie sich selbst erschreckt hatte, war nicht zu übersehen, dass Jane sich eigenartig verhielt. „Was ist los mit dir?“
„Ich weiß nicht. Ich schätze, ich bin immer noch nervös.“
„Wieso? Ist dir irgendwas passiert?“
„Mir? Nein“, antwortete Jane.
„Wegen Lara?“
Jane nickte und sah sie ernst an. „Du glaubst, da stimmt was nicht. Ich weiß es. Ich meine, ich weiß, dass du glaubst, jemand hätte sie umgebracht. Viele Leute hätten das auch sicher gern getan. Wir beide würden ganz bestimmt zu den Verdächtigen zählen. Mich hat sie in allem besiegt und dann damit geprahlt. Bei dir weiß jeder, der dich lange genug kennt, dass du mal was mit Ben Trudeau hattest.“
„Das ist so lange her, das hat nichts mehr zu bedeuten.“
„Du bist ein echter Profi, dass du darüber hinweggehen und immer noch mit Ben arbeiten kannst.“
„Ob ich wirklich so ein Profi bin, weiß ich nicht. Es ist bloß so, dass ich keine Erinnerung daran habe, warum ich mich jemals zu Ben hingezogen fühlte. Wir haben grundverschiedene Ziele, die wir im Leben erreichen wollen, uns sind unterschiedliche Dinge wichtig. Und zwischen uns ist nichts, absolut gar nichts. Da springt kein Funke über. Er ist ein guter Lehrer und ein exzellenter Tänzer. Er sollte an Wettkämpfen teilnehmen und er sollte eine gute Partnerin haben – weil er gut ist.“
„Und sie hat ihn abgeschossen.“ Jane flüsterte plötzlich aus keinem ersichtlichen Grund. „
Das
meine ich doch, Shannon. Jeder hätte ein Motiv für einen Mord. Sogar Gordon.“
„Gordon war immer stolz auf sie. Sie hat viel zum Ruf des Studios beigetragen. Hier hat sie angefangen, und hier hat sie oft Coaching-Stunden gegeben.“
„Er war immer gut zu ihr, aber sie hat sich ihm gegenüber gemein verhalten.“
„Jane, man bringt normalerweise niemanden um, nur weil er gemein gewesen ist“, gab Shannon zurück. Jetzt, da es wieder taghell war und sie sich nicht allein im Studio aufhielt, kam sie sich ein wenig lächerlich vor.
„Das sagst du, aber du meinst es nicht“, behauptete Jane.
„Ich weiß gar nicht so genau, was ich überhaupt meine“, sagte Shannon. „Wir müssen endlich nach vorn blicken.“
„Sie war in vieler Hinsicht ungewöhnlich.“
„Zum Beispiel?“
„Na ja, zum Beispiel prahlte sie gern mit der Tatsache, dass sie nicht wirklich für das Studio arbeitete und dass deshalb für sie die Regel nicht gelte, sich nicht privat mit den Schülern zu treffen.“ Janes Stimme wurde noch leiser. „Weißt du, was ich glaube? Es gefiel ihr, anderen wehzutun. Kannst du dich erinnern, wie begeistert ich war, dass Doug O’Casey so schnell lernte? Lara wusste davon. Als ich für ihn die erste Coachingsession mit Lara vereinbarte, schien sie zu erkennen, dass Doug für mich etwas ganz Besonderes darstellte. Sie schaffte es, mich aus der Session fast völlig herauszuhalten. Und am Abend hat sie unten im
Suede
mit ihm getanzt.“
„Jane, jeder von uns tanzt im
Suede
mit den Schülern.“
„Ich weiß, aber das war anders. Es kam mir so vor, als hätte sie ihre Klauen um ihn gelegt. Sie sah mich an und lächelte mich auf eine Weise an, als wolle sie mir sagen, dass sie meinen Schüler übernommen hatte.“
„Er ist doch immer noch dein Schüler.“
„Das schon, trotzdem könnte ich schwören, dass sie mit ihm was hatte. Nicht nur mit ihm, sondern mit all meinen Schülern.“
„Auch mit dem alten Mr. Clinton?“ warf Shannon ein, um das Gespräch etwas aufzulockern.
Jane konnte darüber nicht lachen. „Ich weiß, dass das witzig gemeint ist, aber Clinton ist verdammt reich. Ihm gegenüber hat sie sich immer wie ein Engel benommen. Sie wusste, wie sie ihre Eisen im Feuer halten konnte. Wenn sie zu einem Wettkampf ging, dann wollte sie das Gefühl haben, dass genügend Leute mit dicker Brieftasche bereitstanden, sollte einer ihrer Sponsoren abspringen.“
„Ach, Jane, hör auf. Sie hat mit Mr. Clinton ganz sicher nichts gehabt.“
„Vielleicht nicht. Aber ich würde alles darauf verwetten, dass sie es getan hätte, wenn es für ihre Karriere förderlich gewesen wäre.“
„Ihre Karriere war doch großartig. Jane, du musst selbst zugeben, dass sie gut war – mehr als nur ,gut‘.“
„Aber sie war eine Hexe.“
„Sie hat die Menschen um sie herum gern benutzt, das ist wahr, aber jetzt ist sie
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