Ihr letzter Tanz
einmal.“
„Nur arbeiten kann aber doch auch keinen Spaß machen.“
„Ich habe Sie nie davon zu überzeugen versucht, dass ich kein langweiliger Mensch bin.“
Er ging an ihr vorbei in den Flur, um sich in den Schlafzimmern umzusehen. Dabei berührte er sie zwar nur leicht, doch die Wirkung traf ihn wie ein elektrischer Schlag. Sein Blick wanderte zu ihren Augen, und er fragte sich, ob sie es ebenfalls gespürt hatte.
„Ins Schlafzimmer“, murmelte er.
„Was?“ Sie riss die Augen auf.
„Ich gehe ins Schlafzimmer … um mich dort umzusehen.“
„Ja, genau.“
Sie folgte ihm, bis er an der Tür stehen blieb und das Licht anmachte. Der Raum war in etwa dreieinhalb mal vier Meter groß, die Wände waren mit Spiegeln verkleidet, der Boden war mit glänzendem Parkett ausgelegt – und es gab kein Möbelstück. Das Ganze war ein kleines, privates Tanzstudio. Vielleicht ihre persönliche Zuflucht, überlegte er und stand, in Gedanken verloren, da.
„Da drüben steht der Schrank.“
Er wurde auf das Möbelstück aufmerksam, ging hinüber und machte die Türen auf: Kleidungsstücke und Unmengen von Schuhen. „Was ist denn das? Haben Sie Imelda Marcos ausgeraubt?“ wunderte er sich.
„Das sind alles alte Tanzschuhe. Ich hänge an ihnen.“
„Warum behalten Sie die?“
„Manche möchte ich gern reparieren. Mit neuen Sohlen und Absätzen wären sie wieder wie neu.“
„Sehr interessant.“
„Wieso? Ich bin Tanzlehrerin, und das ist mein Übungsraum.“
„Und sonst machen Sie den ganzen Tag nichts anderes als tanzen? Aber Sie sind doch nur drei Blocks vom Studio entfernt.“
„Ich bin auch nur drei Blocks vom Strand entfernt, trotzdem hätte ich gern einen Pool.“
„Aha, ich verstehe“, murmelte Quinn. „Okay, dann auf zum letzten Zimmer.“
Wieder ging er an ihr vorbei und fragte sich, warum manchmal zwischen ihnen so etwas wie Feindseligkeit herrschte, während bei anderen Gelegenheiten allein ihre Nähe genügte, um ihn zu elektrisieren. Vielleicht der Duft, überlegte er. Oder das Gefühl, Seide berühre seine Haut, wenn ihr Haar über sein Kinn oder seine Wange strich.
„Das Schlafzimmer“, sagte Quinn. „Diesmal das richtige, mit Bett. Ein Himmelbett. Gefällt mir. Und dort, gleich auf der Kommode: der Computer.“
„Jeder besitzt einen Computer“, entgegnete sie.
„Aber nicht jeder stellt ihn in sein Schlafzimmer.“
„Ich wette, das machen viele Leute.“
„Nicht, wenn sie ein ganzes Haus zur Verfügung haben“, gab er zurück.
„Ach, und wo ist Ihr Computer?“
„Ich wohne momentan auf einem Boot. Da steht er auf der Essecke gleich neben der Kombüse.“
„Und wo stand Ihr Computer, als Sie nicht auf einem Boot wohnten?“ wollte sie wissen. „Oder haben Sie in Virginia auch auf einem Boot gewohnt?“
„Nein, da hatte ich ein Apartment.“
„Und?“ hakte sie ein wenig gereizt nach. „Wo befand sich dort Ihr Computer?“
„Jedenfalls
nicht
im Schlafzimmer. Also gut, nehmen wir einfach mal an, Sie hätten neben dem Tanzen auch noch ein Privatleben. Angenommen, Sie hätten ,Herrenbesuch‘, den wundervollsten Liebhaber seit Casanova. Sie liegen mit ihm in Ihrem romantischen Himmelbett, aber Sie haben vergessen, den verdammten Computer auszuschalten. Und mitten im magischsten Moment hören Sie nicht Ihren Liebhaber flüstern, wie schön Sie sind, sondern der PC meldet sich zu Wort und verkündet: ,Sie haben Post.‘“
Sie sah ihn zum Teil überrascht, zum Teil beleidigt an, doch ein leichtes Zucken umspielte ihre Mundwinkel.
„So was kann passieren“, beharrte er. „Ah, jetzt verstehe ich. Der wundervollste Liebhaber seit Casanova ist hier noch gar nicht vorbeigekommen.“
„Vielleicht doch“, widersprach sie.
„Dann verstehen Sie ja, wo das Problem liegt.“
„Nein. Ich vergesse nämlich nie, etwas auszuschalten“, sagte sie, drehte sich auf der Stelle um und ging zur anderen Seite des Flurs. „Vergessen Sie nicht die Badezimmer. Es gibt zwei, eines dort drüben, das andere gegenüber vom Studio.“
„Wird gemacht. Sobald ich unter Ihrem Bett nachgesehen habe.“
Dort war nichts zu finden, nicht einmal eine Staubfluse.
Die Badezimmer waren recht klein, aber es war auch ein relativ kleines Haus. Pflichtbewusst schob er den Duschvorhang zur Seite, fand aber nichts Verdächtiges. Er hätte das Gefühl haben müssen, in Shannons Privatsphäre einzudringen, doch er fand es vielmehr faszinierend, einen so intimen Einblick in ihr Leben zu
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