Ihr letzter Tanz
und deutete auf den Fundort.
Genau genommen gab es kein „da“, weil die Tote längst weggebracht worden war. Was man noch sehen konnte, war ein Bereich, der mit Flatterband abgesperrt war, außerdem einige Officer vom Revier Miami Beach sowie zwei Spurensucher, die den Sand Stück für Stück unter die Lupe nahmen. Einige Passanten blieben stehen, unterhielten sich kurz mit den Cops, die Schaulustige fern halten sollten, und gingen dann weiter.
„Was machen wir hier?“ fragte Shannon, die sich unbehaglich fühlte. „Es ist so, als würde man auf die Gegenfahrbahn gaffen, weil da ein Unfall passiert ist.“
„Das macht doch jeder von uns“, erwiderte er leise. „Die Leute redeten schon darüber, als wir heute Morgen eintrafen. Die Kids, die in der Nacht die Leiche entdeckten, waren überhaupt nicht davon beeindruckt. Sie waren vielmehr völlig aufgeregt und sprachen mit jedem, der ihnen vor die Füße lief. Die waren so richtige kleine Stars. Verrückt, was?“
„Na, zum Glück hat man die arme Frau weggebracht“, erwiderte Shannon.
„Ja, sicher. Stell dir bloß vor, sie würden bei der Hitze die Leiche den ganzen Tag am Strand liegen lassen. Die Kids erzählten, dass sie noch nicht so lange tot gewesen sein kann, und trotzdem haben die kleinen Krebse schon an ihren Zehen herumgeknabbert.“
„Igitt. Lass uns gehen“, sagte sie.
Sie machte kehrt, und Sam folgte ihr. Während sie sich entfernten, sah sie sich noch einmal um.
Zwei Männer bewegten sich auf den Fundort zu – zwei Männer, die sie sofort erkannte.
Der eine war Quinns morgendlicher Besucher, der andere war … Quinn selbst.
Der erste Mann zeigte einem der Cops seinen Ausweis und deutete auf Quinn, der dem Officer die Hand reichte. Dann begannen sie sich zu unterhalten.
„Was ist los?“ fragte Sam und blieb stehen.
„Nichts“, antwortete sie rasch und ging weiter. Sie wusste nicht, warum, aber sie wollte nicht, dass Sam Quinn hier entdeckte.
„Ganz sicher?“
„Ja, bloß eine Gänsehaut. Lass uns gehen.“
Sie beschleunigte ihre Schritte, warf aber immer wieder einen flüchtigen Blick über die Schulter.
Inzwischen hatte sich eine Schwangere zu Quinn und dem anderen Mann gesellt und hielt einen Notizblock in der Hand. Quinn hatte seinen Arm um sie gelegt und machte eine besorgte Miene, doch sie sah auf und lächelte ihn an. Dann hob sie das Flatterband hoch und näherte sich dem Fundort der Toten.
„Was ist denn?“ fragte Sam besorgt.
„Los, einen Spurt!“ rief Shannon ihm unvermittelt zu und rannte den Strand entlang. Sam ließ sich das nicht zweimal sagen und lief ebenfalls los, doch sie war einfach schneller.
Als er keuchend bei ihr angelangt war, hatte sie es sich schon wieder auf dem Laken bequem gemacht.
„Erster“, rief sie ihm zu.
Er sah sie lange an und begann zu lächeln.
„Was ist?“ wollte sie wissen.
„Ich sehe, wie schlecht es um deinen Knöchel bestellt ist. Wirklich hoffnungslos.“
Shannon stöhnte leise auf. „Wo hast du deinen Wagen geparkt?“
„Einen Block von deinem Haus entfernt.“
„Gut, dann begleite mich nach Hause. Wir können uns abkühlen, und ich kann uns etwas zu essen machen.“
Manchmal war Quinn heilfroh, dass er kein Cop mehr war und auch nicht mehr fürs FBI arbeitete.
Geregelte Arbeitszeiten waren undenkbar, ganz egal, was irgendein Dienstplan besagte. Sicher, für ihn war es nicht viel anders, aber er war sein eigener Herr, und er konnte sich dann eine Auszeit nehmen, wann er es wollte.
Dabei fiel ihm ein, dass er genau diese Auszeit hatte nehmen wollen. Er sollte jetzt am Strand sein, allerdings an einem Strand auf den Bahamas, wo ihm eine kühle Brise um die Nase wehen würde, wo er ein eiskaltes Bier in der Hand hielt, wo Kinder im Sand spielten und wo von irgendwoher Calypso-Klänge ertönten. Alles Dinge, die ihn von den desillusionierenden Albträumen befreien sollten, die sich so hartnäckig in seinem Kopf hielten.
Wäre er aber jetzt auf den Bahamas, hätte er nicht das erlebt, was sich in der letzten Nacht auf seinem Boot abgespielt hatte.
Und er würde nicht mit Jake und Ashley am Strand stehen und die Stelle betrachten, an der die Leiche aus Biscayne Bay angespült worden war, während er sich fragte, was Shannon wohl auf seinem Boot gemacht hatte, nachdem er gegangen war.
Zum Glück war es eine „frische Leiche“ gewesen, wie die Assistenten in der Gerichtsmedizin es formuliert hatten. Duarte ging momentan so in Arbeit unter, dass er sich
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