Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)
Löcher abdichten und stattdessen Nistkästen aufhängen.
Vielleicht würde er das tun. Er war nicht mehr dort oben gewesen, seit …
Lucy umgekommen war.
Jonas seufzte und blickte auf die schmale Fleischplanke hinab, zu der sein Körper geworden war. Seine Genitalien kamen ihm geradezu lächerlich groß vor, wie sie da nutzlos zwischen seinen scharf hervorstehenden Hüftknochen aufragten, und seine Rippen, die sich deutlich in der frühen Morgensonne abzeichneten, erinnerten ihn an Kräuselwellen auf einem glatten Meer. Dazwischen, auf dem flachen Stück Bauch, sahen die Narben sogar noch schlimmer aus als sonst – rot und dick und verzerrt und wulstig.
Sie hatten ihm gesagt, mit der Zeit würden sie verblassen.
Zeit.
Er schaute auf seinen Wecker – etwas, das er seit über einem Jahr nicht mehr mit gutem Grund getan hatte. Es war fast halb sieben.
Jonas schwang die Füße auf den knarrenden Boden und ging unter die Dusche. Ein Badezimmerfenster rahmte ein Gemälde vom Dorfrand von Shipcott und dem hoch aufragenden Moor dahinter. Der Gedanke, in das Dorf zurückzugehen, in dem er als Polizist so völlig versagt hatte, schmerzte tief in seinem Innern, doch er freute sich beinahe über dieses Gefühl. Er hatte es verdient.
Das andere Fenster zeigte das niedergebrannte Farmhaus auf der nächsten Hügelkuppe; verkohlte Balken bohrten sich in den Himmel. Er starrte auf die Überreste der Springer Farm wie in einen Spiegel, während er mit seifigen Fingern über das Rippengerüst seines Brustkorbes fuhr.
Danach saß er still auf seinem Bett, bis er trocken war, und zog dann seine Uniform an.
Reynolds musterte seine Truppen auf dem Parkplatz des Red Lion. Um acht wollten sie mit der Suche beginnen. Reynolds war um Viertel nach sieben auf dem leeren Parkplatz und um halb acht nervös. Außer ihm waren nur Presseleute und Fernsehteams hier.
Erinnerungen an seinen dreizehnten Geburtstag wühlten ganz hinten in seinem Kopf. Seine Klassenkameraden aus der Grundschule schienen den Wechsel auf diverse weiterführende Schulen dazu genutzt zu haben, ihn als Freund abzuschreiben. Seine Mutter meinte, das käme daher, weil er zu schlau für sie sei, und er war sich sicher, dass sie recht hatte. Doch er war sich auch sicher, dass viele Jungen zu seiner Party kommen würden – und sei es nur wegen eines Zauberers namens El Gran Supremo, mit Zylinder, Zauberstab, Kaninchen und allem Drum und Dran.
Doch sie waren nicht gekommen.
Zumindest waren nur zwei gekommen, und die zählten nicht: der dürre Digby Furnwild – der immer einen Asthma-Inhalator und ein mit Olbas-Tropfen getränktes Taschentuch dabeihatte –, und der fette Bruce Locksmith, der es für kostenlosen Kuchen sogar mit einem Wolfsrudel aufgenommen hätte. Bruce hatte fast den ganzen Kuchen aufgefuttert, hatte jedoch nur die halbe Vorstellung von El Gran Supremo durchgehalten, ehe er verkündete, das sei doch Scheiße und er würde jetzt gehen. Er hatte tütenweise Reste mitgenommen. Reynolds und Digby hatten in todgeweihtem Schweigen jeder an einem Ende des Sofas gesessen, bis Digbys Mutter gekommen war und ihn abgeholt hatte. Danach war Reynolds’ Mutter ausgerastet, weil sie Kaninchenköttel auf dem Teppich gefunden hatte.
Er hatte nie wieder eine Party gegeben.
Bis jetzt. Und jetzt schwitzte Reynolds bei dem Gedanken, dass niemand auftauchen würde, während die nationale Presse dies bezeugte. Er hatte bei Google Maps die Mitte des Moores aufgerufen und die daraus resultierenden Ausdrucke in ein durchnummeriertes Raster aufgeteilt. Er brauchte mindestens fünfzig Leute, um das Gebiet richtig abzudecken. Hätte er doch nur Rice gebeten, diese Geschichte zu leiten, dann würde sie schlecht dastehen, wenn niemand kam.
Doch um Viertel vor acht hatten sich ungefähr ein Dutzend Polizeibeamte eingefunden, einschließlich vier Hundeführer, und achtzehn Bewohner von Shipcott. Es war besser als nichts.
Er nahm die Polizisten beiseite und ging mit ihnen kurz durch, wo sie im Augenblick standen. Die forensischen Spuren an dem Pferdetransporter und dem Golf der Familie Knox hatten nicht viel ergeben. Das Labor untersuchte die grünen Fasern, die an beiden Tatorten gefunden worden waren, und außerdem winzige Rückstände von klebrigem weißem Plastik, das an den eingeschlagenen Autofenstern am Knox-Tatort entdeckt worden war. Noch hatte die Spurensicherung keine Ahnung, was es war und wie – oder auch nur ob – es mit dem Kidnapping zusammenhing, und sie
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