Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)
Blacklands, John Took, war zwar zum Co-Master von Midmoor ernannt worden, doch es war allen klar, wer in dem neuen Jagdverein die arme Verwandtschaft war.
Jetzt – da das unbehagliche Bündnis gerade mal sechs Monate alt war – machten viele alte Midmoor-Mitglieder Tooks Krise für den Ausfall ihres traditionellen Sommerturniers verantwortlich. Um das Ganze noch schlimmer zu machen, hatten die Exmoor Foxhounds es mit ihrem Angebot, als Veranstalter einzuspringen, geradezu unanständig eilig gehabt. Schließlich, hatte ihre Sekretärin zu bedenken gegeben, sei der Turnierplatz gebucht, die Sprünge und Zelte bezahlt und die Meldungen bereits eingegangen.
»Ich meine«, hatte sie am Telefon zu Charles Stourbridge gesagt, »der Kidnapper hat doch schon die arme Jess Took und diesen anderen Jungen. Wir sollten uns von ihm doch nicht auch noch einen schönen Tag im Freien verderben lassen.«
Als ihnen diese unklare Logik übermittelt wurde, beteten die Vereinsmitglieder von Midmoor darum, dass es am Samstag regnen möge, doch ein ungewöhnlich verlässlicher Sommer enttäuschte sie.
Samstagmorgen. Exakt zwei Wochen nach der Entführung von Jess Took.
Sie hatte nicht vom Handy eines Freundes oder einer Londoner Telefonzelle aus zu Hause angerufen. Und kein Bauer hatte zu seiner Überraschung Pete Knox in seinem Heuschober aufgefunden.
Die beiden Kinder waren einfach weg.
Und jede Minute, die sie länger weg waren, war eine Minute, in der DI Reynolds’ Frustration größer wurde.
Es war die Erinnerung an sein früheres Versagen auf dem Exmoor, die ihm ebenso zusetzte wie dieses neuerliche Scheitern, das sich hier abzeichnete. Natürlich hatte damals DCI Marvel die Ermittlungen geleitet, nicht er. Und zwei aus geparkten Autos entführte Kinder konnte man nicht mit einem Amoklauf vergleichen, an dessen Ende acht Menschen tot gewesen waren.
Doch Reynolds hatte ein ganz ungutes Gefühl, dass es dazu noch kommen könnte.
Es war keine düstere Vorahnung. Reynolds hätte sich die Augen ausgestochen, ehe er dergleichen eingestanden hätte. Marvel hatte sich von seinen Instinkten leiten lassen, von seinen Ahnungen, von seinem Bauchgefühl – und Reynolds hatte ihn mit einer Leidenschaft verabscheut, die jeder Oper zur Ehre gereicht hätte. Es war peinlich, Ermittlungsentscheidungen auf Launen und Vorurteile zu stützen. Das hier war das 21. Jahrhundert, Herrgott noch mal. Reynolds hatte doch keine zwei Hochschulabschlüsse – den ersten in Kriminalwissenschaft und dann eine gutes erstes Jura-Staatsexamen –, damit er Affen lynchen und Hexen verbrennen konnte. Jetzt jedoch – nachdem bei der Suche und den Laborergebnissen so gut wie nichts herausgekommen war – hatte DI Reynolds eine Theorie, dass es schlimmer werden könnte, ehe es besser wurde.
Diese Theorie wurde von all den Autos untermauert, die jetzt, da Touristensaison war, jeden Tag auf dem Exmoor parken würden. In Dörfern, am Straßenrand, hinter Pubs, auf Kiesplätzen neben der Straße, auf Parkplätzen in der Nähe besonders reizvoller Aussichtspunkte, auf Blumenschauen, Dampfmaschinen-Rallyes und Dorffesten. Die meisten würden natürlich leer sein, nach all dem Aufhebens um Jess Took und Pete Knox, aber wenn DI Reynolds eins daraus gelernt hatte, dass er einfach nur siebenunddreißig Jahre lang gelebt hatte, dann war es dies:
Die. Menschen. Sind. Dumm.
Reynolds bemühte sich, niemals zu unterschätzen, wie blöd seine Mitmenschen sein konnten. Wie ignorant, wie leichtfertig, wie grausam. Trotz aller Warnungen fuhren die Leute immer noch Auto, nachdem sie getrunken hatten, dachten immer noch, bloß ein einziges Mal Crack zu probieren, könnte doch lustig sein … Machten sich immer noch nicht die Mühe, ihre Kinder mitzunehmen, wenn sie mal eben kurz aufs Postamt gingen oder im Laden an der Ecke einen Liter Milch kauften.
Manche Leute dachten einfach, ihnen würde das nicht passieren, auch wenn es überall um sie herum passierte, und zwar genau solchen Leuten wie ihnen.
Natürlich, dachte Reynolds mit innerlichem Naserümpfen, waren das genau die Sorte Blödmänner, die in den Eckladen gingen, um sich einen Lottoschein zu holen, und dabei nie die düsteren Statistiken bedachten, die besagten, dass es wahrscheinlicher wäre, sein Kind an einen zufällig vorbeikommenden Perversen zu verlieren, als den Jackpot zu knacken.
Nein, wenn der Kidnapper auf weitere Opfer aus war, würde kein großer Mangel an potenzieller Beute herrschen, da war Reynolds
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