Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)
sich sicher.
Alles, was er tun konnte, war, seine Leute so klug wie möglich einzusetzen, in dem Versuch zu überstehen, was hoffentlich eine präventive Wochenendaktion sein würde, und nicht mehr.
Wenigstens bedeutete Jonas Hollys Rückkehr, dass er einen Mann mehr zur Verfügung hatte, und Reynolds teilte ihn für das Reitturnier auf der Deepwater Farm ein.
Steven sah zu, wie Em die helle Mähne des Pferdes einflocht, und fragte sich, warum er sich so merkwürdig fühlte. Ein bisschen kurzatmig. Ein bisschen beklommen, ein bisschen aufgeregt, und sein Mund war nicht richtig geformt, um Worte hervorzubringen.
Vielleicht war er ja allergisch gegen Pferde.
Skip. So hieß das Pferd, und es stand mit halbgeschlossenen Augen und hängender Unterlippe da, während Ems Finger die blassblonden Strähnen abteilten und dann anfingen, sie zu Zöpfen zu flechten. Steven beobachtete, wie sich ihre Hände hierhin und dorthin drehten und der Zopf wie durch Zauberei zwischen ihnen Gestalt annahm. Ihr Gesicht war angespannt und konzentriert. Er sah zu, wie sie den Zopf mit Nadel und Faden befestigte und ihn dann geschickt zu einem kleinen Knoten auf dem Pferdehals zusammenrollte und ihn wie einen glänzenden goldenen Knopf festnähte.
Dann fing sie mit dem nächsten an.
Das Schweigen im Stall hatte ihm zuerst Kopfzerbrechen bereitet. Er sollte wirklich irgendwas sagen. Irgendwas Unterhaltsames. Irgendwas, das sie beeindrucken würde.
Doch nach einer Weile war er erleichtert. Je länger er ihr zusah, desto mehr wurde ihm klar, wie wenig er über irgendetwas von dem wusste, was hier geschah: Em, das Pferd, das Turnier – über alles. Hätte er geredet, so wäre es lediglich leeres Gefasel gewesen. Also saß er einfach nur da und schaute zu, während zwischen ihnen kaum ein Wort gewechselt wurde.
Alles, was sie tat, war richtig. Das Pferd wusste es, und selbst in seiner Unwissenheit konnte Steven es ebenfalls erkennen. Sie war so geschickt und selbstsicher, dass die beiden gar nichts anderes tun konnten, als sie machen zu lassen und ihr nicht in die Quere zu kommen. Als sie mit der Zunge schnalzte und Skip an der Brust berührte, trat das Pony gehorsam rückwärts, damit sie sich unter seinem Hals hindurchducken konnte. Sie bat Steven, ihr einen kleinen Holzkasten zu reichen, damit sie sich daraufstellen konnte, um leichter an die Mähne heranzukommen. Er stellte ihn so sorgsam zurecht, wie er nur konnte, versuchte, genau abzuschätzen, wie nahe sie gern bei dem Tier stehen würde – und freute sich dann, als sie hinaufstieg, ohne etwas zu verändern.
Er schaute in Skips schläfrige Augen und hatte das Gefühl, dass sie beide im selben Team waren.
Em sattelte das Pferd mit blankem schwarzem Leder, das nach Geld roch, dann führte sie es auf den betonierten Hof hinaus.
Sie streifte ihren schmutzigen Overall ab und enthüllte eine blendend weiße Reithose und eine ärmellose Bluse, wie ein Engel, der in einer Sonntagsschulgeschichte plötzlich erscheint.
»Kannst du reiten?«, fragte sie, und Steven schüttelte stumm den Kopf. »Willst du mal?«
Er überlegte, was wohl die richtige Antwort wäre. Er wollte nicht ängstlich erscheinen, aber vom Pferd fallen wollte er auch nicht.
»Ich hab Angst, dass ich runterfalle«, sagte er und war augenblicklich von seiner eigenen Blödheit wie vor den Kopf geschlagen.
Doch Em nickte nur verständnisvoll. »Ja. Runterfallen ist Mist.«
Sie zog ein tailliertes Jackett mit blauem Samtkragen an und schwang sich in den Sattel. »Du kannst nach Hause reiten«, sagte sie. »Wenn du dann runterfällst, vermiest das nicht den ganzen Tag.«
Als er verblüfft aufblickte, zeigte sie ihm ihre kleinen weißen Zähne.
»Alles klar«, lachte er.
Das schwarze Tor fiel klickend hinter ihnen ins Schloss, und sie mäanderten über die Landstraßen. Die Luft roch nach Sommer, und ihr blankgeputzter Stiefel stupste gegen seinen Arm. Em säuselte dem Pferd etwas zu und schnippte mit ihrer Gerte Fliegen von seiner zuckenden Haut. Oder sie schwiegen vor sich hin, besinnlich und klar wie ein See, bis einem von beiden der Sinn danach stand, einen kleinen Gesprächskiesel hinzuwerfen. Die Kräuselwellen breiteten sich mühelos aus, und je näher sie dem Turnier kamen, desto besser wurde Stevens Allergie.
15
Charlie Peach war es gewohnt, in dem Kleinbus zu sitzen und zu warten. Es machte ihm nichts aus. Eigentlich gefiel es ihm sogar. Charlie hatte die Dinge gern genau so, wie sie waren. Er mochte es,
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