Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)

Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition)

Titel: Ihr liebt sie nicht: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
Vom Netzwerk:
Wenigstens konnte Charlie sich auf seinen eigenen zwei Beinen über den Planeten fortbewegen. Konnte gehen, wohin er wollte – sogar eine Treppe hinauf –, konnte barfuß über eine Wiese rennen, wenn er Lust dazu hatte, ganz gleich, wie kaputt er im Kopf war.
    Teddys Mutter sagte immer, wie viel Glück er doch hätte. Glück, dass er in England lebte und nicht in Indien, wo er in der Gosse betteln würde. Glück, dass er das Internet hatte, wo die Kinder in Afrika doch noch nicht einmal Bücher hätten. Glück, dass er am Leben war.
    Teddys Kopf ruckte zornig. Manchmal war es schwer, daran zu glauben, dass er Glück hatte.
    Charlie sang neben ihm leise vor sich hin. Wie gewöhnlich. Er kannte nur drei Lieder. »Häschen in der Grube«, »Zehn kleine Negerlein« und »Fuchs, du hast die Gans gestohlen.« Er konnte den Text nicht richtig, und bis zehn und wieder zurück zählen konnte er auch nicht. Manchmal stellte Teddy sich die Nabelschnur vor, wie sie Charlie den winzigen Hals zudrückte wie ein gemeiner Python. Was hätte Charlie ohne diese Schnur sein können? Was für Lieder hätte er dann vielleicht gesungen? Doch es war nicht nur schlimm. Diese verrutschte Nabelschnur hatte vielleicht den größten Teil von Charlies IQ glatt aus seinem Kopf rausgedrückt, aber dabei war auch alles Schlechte rausgedrückt worden und nur Sonnenschein und Lächeln und eine hauchige, melodische Kleinjungenstimme zurückgeblieben.
    Plötzlich hatte Teddy ein schlechtes Gewissen, weil er Charlies Lied nicht mitsang.
    »Da sind sie«, sagte Beth, und Teddy sah Mr King und Mrs Johnson über die grüne Wiese auf sie zukommen. Beide trugen dunkle Brillen, mit denen sie aussahen wie Spione. Er dachte, wie toll es wäre, ein Spion zu sein, und dann ging ihm auf, dass er ja fast einer war – so wie er Informationen einheimste, während alle dachten, er wüsste nicht, was sie sagten. In seinem Kopf war er ein Spion.
    Das machte ihn glücklich, und als Charlie von vier Negerlein zu einem hinunterzählte – über neun kleine Negerlein –, stimmte er plötzlich ein.
    … saß und schlief. Fraß total schief!
    Charlie kicherte. Nur Teddy kannte diese Zeile; wenn er sie sang, hörte es sich eher an wie »aa mm iiee. Aa oba ih!«
    Fraß und schlief!
    »Ist dir warm genug, Charlie?« Mr King nahm die Sonnenbrille ab und zwinkerte Charlie zu, und Charlie lachte und nickte. Mr King lächelte und zauste dem Jungen das dünne blonde Haar. »Bin gleich wieder bei dir. Okay, Großer?«
    »Okay, Mr King.« Er fand es toll, wenn Mr King ihn Großer nannte.
    Beth und Teddy stiegen aus – Teddy in seinem Rollstuhl mit dem Lift, mit dem Charlie so gern fuhr, wenn alle gute Laune hatten –, und er sagte Auf Wiedersehen und sah ihnen nach, als sie über den Rasen auf die Zelte und die Pferde und die Fahnen und all den Spaß zustrebten.
    Jonas beäugte die Pferde aus dem Schutz des Teezeltes heraus. Hin und wieder kam ein Kind herübergetappt, ein Pony im Schlepp wie einen gesattelten Hund, und fingerte Kleingeld für ein Eis aus seiner Reithosentasche. Meistens jedoch blieben die Pferde auf der anderen Seite des blauen Nylonseils, das die Wiese in drei Reitplätze unterteilte – zwei für Vorführungen und einer fürs Springen.
    Es war Jahre her, dass er auf einem Turnier gewesen war. Damals war er noch ein kleiner Junge gewesen. Er erinnerte sich nicht mehr an den Namen des Ponys, das er sich auf der Springer Farm ausgeliehen hatte, doch er erinnerte sich an die Sonne auf seinem Rücken und an dieselben Gerüche nach Leder, heißem Gras und Mist.
    Aus irgendeinem Grund fühlte er sich dabei unbehaglich.
    Gleich würde er eine weitere Runde über den Parkplatz drehen müssen. Die ersten beiden waren alles andere als ruhig gewesen. Jeder wollte Hallo sagen und ihm die Hand schütteln und fragen, wie es ihm ginge. Jetzt hielt sich Jonas mit dem letzten Rest seines Tees auf, ehe er sich wieder ins Freie hinauswagte.
    Die Jagdhunde der Exmoor Foxhounds waren auf dem Vorführplatz, drängten sich als Masse aus Zungen und Schwänzen um den Huntsman in seinem roten Rock, mit der weißen Peitsche und den leuchtend weißen Hosen. Kinder durften auf den Platz kommen, um die großen, braun-weißen Hunde zu streicheln, eine »Früh übt sich«-PR-Maßnahme für den Jagdverein. Ein Junge in einem Elektrorollstuhl war dabei, er wedelte mit den verkrümmten Armen und schaute in den Himmel, während ein Hund ans Rad seines Stuhls pisste.
    Hin und wieder löste sich

Weitere Kostenlose Bücher