Ihr stolzer Sklave
schimpfte leise vor sich hin. „Ich habe es ganz gut hinbekommen, bevor du dich eingemischt hast.“
Davin grinste. Kieran beteiligte sich nicht an dem Spaß. Er konzentrierte sich darauf, die richtige Stelle zu finden, wo er seine Angel auswerfen konnte. Wenn ein Fisch anbiss, zog er ihn so schnell zu sich heran, dass die Angelschnur ihm in die Handflächen schnitt.
Orin stieß begeisterte Rufe aus, als Kieran einen Dorsch aus dem Wasser zog, der so lang war wie sein Unterarm. „Gut gemacht!“
„Er schummelt“, sagte Davin kopfschüttelnd. „Du hättest ihn ablenken sollen, indem du ihm die Arme um die Taille legst, Orin.“ Iseult stieß ein überraschtes Lachen aus, und zum ersten Mal sah Kieran sie lächeln. Ein echtes Lächeln, nicht eines, das von ihren Sorgen niedergedrückt wurde.
Eine so schöne Frau wie Iseult sollte oft lächeln, dachte er. Viel zu schnell war es wieder verflogen.
Kieran erwischte Orin dabei, wie er ihn betrachtete, und er schenkte ihm einen finsteren Blick. „Versuch es nur, und ich werfe dich über Bord.“ Danach ging der Spaß erst recht weiter. Als bei Kieran endlich ein zweiter Fisch anbiss, wurde er von Orin gepackt und daran gehindert, den Fang einzuholen. Davin versuchte, ihm den Fisch abzunehmen, aber es gelang Kieran, den Lengfisch zu schnappen, bevor die anderen ihn wieder zurück ins Wasser werfen konnten.
Iseult hielt sich die Seiten vor Lachen, und fast wäre sie gegen die Bootsplanken gefallen. Ihr Gewand war nass vom Seewasser, und das dichte rotgoldene Haar lag zerzaust auf ihrem Rücken.
Schau sie nicht an, meldete sich warnend Kierans Verstand, während Davin ihr half, sich wieder hinzusetzen.
Als Iseult endlich ihre Fassung zurückgewonnen hatte, übergab sie das Netz an Kieran. Dabei berührten sich ihre Hände. Jäh wurde sie ernst. Auf ihrem Gesicht war ganz und gar nicht mehr jenes scherzende Lächeln, das sie zuvor Davin geschenkt hatte.
Nein, das hier war mehr. Es war der erschrockene Blick des Erkennens, gemischt mit Schuld. Wäre sie nicht mit einem anderen Mann verlobt, er hätte sich vorgebeugt und sie geküsst. Er hätte sie an sich gedrückt, sich an ihren glatten Schultern und dem zarten Hals erfreut.
Kieran warf das Netz über Bord und war wütend auf sich. Es spielte keine Rolle, dass er sie begehrte und dass sich auf ihrem Gesicht das gleiche Begehren gespiegelt hatte. So unehrenhaft würde er niemals handeln, nicht, nachdem man ihm selbst Ähnliches angetan hatte.
Wenn es ihm gelang, seine Freiheit zurückzugewinnen, konnte er am Ende des Sommers aufbrechen. Und in der Zwischenzeit hatte er vor, sich von Iseult MacFergus fernzuhalten. Sehr fern.
8. KAPITEL
Für den Rest des Tages konzentrierte Iseult sich aufs Angeln. Sie hatte vier respektable Fische gefangen, Davin fünf und Orin sieben. Kieran konnte zwölf vorweisen. Er benutzte abwechselnd die Rute mit den Gewichten und das Netz. Aufrecht saß er im Boot, interessierte sich nur für seine Leine und hatte Iseult kein einziges Mal mehr angesehen. Nicht, seitdem sie ihm das Netz gereicht hatte.
Von dem Moment an, in dem sich ihre Hände berührt hatten, waren all ihre Sinne in Alarm gesetzt worden. In Kierans durchdringenden braunen Augen war eine Warnung aufgeblitzt, und als sie zurückgewichen war, zitterten ihr die Hände. Kieran Ó Brannon war ein Sklave, ihr nicht ebenbürtig. Er war kein Mann, der zum Freund werden konnte. Obwohl er sie zum Fischen begleitete, war kaum zu übersehen, dass er eigentlich nicht hier sein wollte.
Er war mitgekommen, weil Davin es angeordnet hatte. Und aus seinem stummen Betragen schloss sie, dass er es nicht gewohnt war, Befehle entgegenzunehmen.
Alles an ihm ließ sie an einen Krieger denken. Seine Heimlichkeit und seine Schlauheit, verbunden mit einem rücksichtslosen Benehmen zeugten von einem Mann, der Knechtschaft erduldete, aber nicht dafür geboren war.
Und doch hatte sich sein Zorn gestern Abend gelegt. Er hatte sie nicht mehr verspottet, noch war er grob zu ihr gewesen, nachdem sie ihm erzählte, was mit Aidan geschehen war. Stattdessen hielt er ihre Hand.
Irgendwie hatte er sie verstanden.
Iseult sah auf ihre Hände hinunter, die die hölzerne Angel hielten. Als sie wieder zu Kieran blickte, starrte er auf das Meer hinaus. Er kannte den gleichen Schmerz.
Nein. Du darfst nicht so von ihm denken.
Sie rutschte näher an Davin heran, so nahe, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher