Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
Plattform, um alles aufzudecken.
Sie räusperte sich gerade, um ihre Stimme frei zu machen und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wobei Peiß’ Augen sich zu kleinen, aggressiv funkelnden Schlitzen zusammenzogen, als das Handy eines Reporters klingelte.
Und dann gleich darauf noch eines.
Und noch eines.
Keine zwei Sekunden später schien jedes Mobiltelefon im Raum zu klingeln.
Die ersten Reporter, Fotografen und Kameraleute sprangen auf und rannten aus dem kleinen Saal. Peiß’ drohender Gesichtsausdruck verwandelte sich in einen verwirrten, und auch Inga Jäger verstand die Welt nicht mehr.
Da kam Kommissar Gebert in den Raum gestürzt und suchte sie mit hastigen Blicken, ehe er ihr die Schutzweste zuwarf, die er in der Hand hielt.
» Kommen Sie!«, rief er. » Schnell!«
71
Der Flur vor dem Konferenzraum war vollgestopft von hastig nach draußen drängenden und drängelnden Journalisten, Fotografen und Kameraleuten. Kriminalhauptkommissar Gebert bahnte sich mit seiner Masse und seinen starken Armen einen Weg hindurch, und Inga Jäger folgte, so schnell sie konnte, in seinem Windschatten, während sie sich im Laufen die schutzsichere Weste überstreifte.
» Wo wollen die alle hin?«, fragte sie über den Lärm hinweg.
» Dorthin, wohin auch wir wollen!«, rief Gebert über die Schulter zurück.
» Und das ist?«
» Der Eichberg!«
» Was ist passiert?«
» Ich erzähle Ihnen alles unten«, antwortete er und deutete um sich. » Hier sind zu viele Ohren.«
Da drückte ihr plötzlich jemand von der Seite her den knallroten Schaumstoffkopf eines Mikrofons ins Gesicht. Ein Mann, der sich neben ihr durch die Menge an Reportern und Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft, die das Chaos vergeblich zu ordnen versuchten, auf die breite Innentreppe zuschälte. Eins fünfundachzig groß, schlank, Ende dreißig, dichtes, dunkles Haar, Bartschatten. Grüne Augen und Grübchen.
» Max Hoffmann, freie Presse«, stellte er sich vor. » Oberstaatsanwältin Jäger, was haben Sie zu den aktuellen Ereignissen zu sagen?«
» Kein Kommentar«, blockte sie und eilte jetzt, da sie die Treppe erreicht hatte, die Stufen hinab.
» Wozu die Schutzweste?«, fragte er, als hätte er nicht verstanden, was sie gesagt hatte, und folgte ihr. » Führen Sie die Verhandlungen bei der Geiselnahme?«
» Geiselnahme?« Inga Jäger war so überrascht, dass sie beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert wäre. » Ich weiß nichts von einer Geiselnahme.«
» Ach, kommen Sie«, sagte der Journalist und setzte ein gewinnendes Lächeln auf. Seine Grübchen wurden noch tiefer. » Nur ein paar schnelle Worte!«
Aber Inga Jäger war nach dem, was er gerade gesagt hatte, überhaupt nicht nach Lächeln zumute.
» Gebert!«, rief sie.
Sie hatte einen furchtbaren Verdacht, und ihre Beine drohten unter ihr nachzugeben und ihr den Dienst zu versagen. Sie suchte gerade noch rechtzeitig Halt am Treppengeländer.
» Gebert!«
Der Hüne hörte sie endlich, hielt an und drehte sich zu ihr herum.
» Ist… ist etwas… ist etwas mit Tanya geschehen?«, fragte sie mit vor Panik belegter Stimme.
Für einen Moment sah er sie vom Treppenabsatz herauf irritiert an, aber dann entspannte sich sein Gesicht wieder.
» Nein!«, rief er und schüttelte den Kopf. » Mit Tanya ist alles in Ordnung. Keine Sorge!«
Ihr fiel ein Stein vom Herzen, und sie merkte jetzt erst, dass sie in ihrer Panik die Luft angehalten hatte. Schnell nahm sie einen tiefen, beruhigenden Zug.
» Wer ist Tanya?«, fragte der gutaussehende Journalist neben ihr interessiert.
Sie blitzte ihn zornig an. » Kein Kommentar.«
Sie wollte weitereilen, doch er stellte sich ihr in den Weg.
Da wurde er plötzlich von Geberts großen Händen von hinten gepackt und zur Seite gehievt, als wöge er gerade einmal ein paar Kilo.
» Sie haben die Dame gehört«, knurrte Gebert drohend. » Kein Kommentar.«
» Okay«, lenkte der Journalist ein. » Dann sehen wir uns vor Ort.« Er drehte sich herum und lief die Treppe weiter nach unten.
» Was, um Himmels willen, geht hier vor?«, fragte Inga Jäger leise zischend.
Gebert beugte sich zu ihr nach vorn und flüsterte ihr ins Ohr: » Es ist Achim Volz. Er hat die Brüder Gunther und Gernot Schneider mit vorgehaltener Pistole auf den Eichberg entführt, sich dort mit ihnen als Geiseln in einer der Zellen verschanzt, die Presse dorthin bestellt und nach Ihnen verlangt.«
» Nach mir?«
Er nickte besorgt. » Ganz ausdrücklich. Wenn Sie nicht in
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