Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
elektronisches Equipment, das Semtex und die Waffen überprüften.
» Otto an KHK Gebert«, sprach sie in das Mikro an ihrem Schultergurt. » Chef, können Sie mich hören?«
» Gebert hier«, schnarrte seine Stimme, elektronisch verzerrt. » Wie weit seid ihr?«
» Der untere Eingang ist frei«, meldete sie. » Wir betreten jetzt in Kürze den Stollen.«
» Verstanden«, bestätigte Gebert. » Dem Lageplan nach, den Professor Götz zur Verfügung gestellt hat, führt der Gang im Innern des Berges hinauf bis zur Rückwand der Kellerhalle, in der Volz die Geiseln festhält. Ihr seid dann nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt.«
» Das heißt, wir können mit einer einzigen leichten, aber großflächigen Sprengung stürmen«, kalkulierte die Otto.
» Das sehe ich genauso«, sagte Gebert. » Aber passt auf: Der Tunnel ist nur etwa vierhundert Meter lang, also verhaltet euch schon auf dem Weg nach oben mucksmäuschenstill, um zu verhindern, dass man euch auf der anderen Seite der Mauer zu früh hört.«
» Klar!«
» Wenn ihr am Ende angelangt seid, bereitet alles vor– aber unternehmt nichts ohne weiteren klaren Befehl. Das Leben der Geiseln hat oberste Priorität. Verstanden?«
» Verstanden«, sagte die Otto.
» Gut«, sagte Gebert. » Und… Otto…«
» Ja, Chef?«
» Viel Glück.«
» Danke, Chef.«
» Gebert Ende.«
Die Otto wandte sich an ihr Team. » Vermutlich ist es da drinnen staubig ohne Ende, also benutzen wir statt der Taschenlampen die Nachtsichtgeräte und die Infrarotscheinwerfer. Setzt außerdem alle eure Sauerstoffmasken auf; nicht dass ihr euch den Fluch des Pharao, Montezumas Rache oder sonst was einfangt. Verhaltet euch so leise wie möglich, und wenn ihr überhaupt sprechen müsst, flüstert. Und der Chef hat noch einmal betont: kein Zugriff ohne vorherigen ausdrücklichen Befehl. Haben das alle verstanden?«
Die drei bestätigten die Anordnungen und setzten dann mit geübten Griffen die Sauerstoffmasken und Nachtsichtgeräte auf.
» Stumpf geht vor«, entschied die Otto. » Dann ich. Oberle und Lauer, ihr wartet dreißig Sekunden und kommt erst dann nach– um uns ausbuddeln oder Hilfe rufen zu können, falls der Gang über uns einstürzt.«
Die beiden Letztgenannten nickten, und Stumpf betrat den Tunneleingang.
Die Otto folgte ihm.
Der Boden war fingerdick bedeckt mit Staub, und sie gingen langsam, um ihn nicht unnötig aufzuwirbeln. Dicker Staub war ein gutes Zeichen; der Gang war somit vermutlich frei von Fledermäusen und damit auch frei von Fledermauskot, in dem sich vorzugsweise besonders giftige Pilze wie der Aspergillus flavus einnisteten.
Die beiden schalteten die an ihren Nachtsichtgeräten angebrachten Infrarotscheinwerfer an und achteten dabei darauf, einander nicht anzusehen, um sich nicht gegenseitig zu blenden.
Der Weg war in etwa so breit wie der Eingang und stieg leicht an. Er war aus einer Mischung aus Schiefer und Sandstein geschlagen. Auch das war eine gute Nachricht. Die Chance, dass er irgendwo eingebrochen war oder über ihren Köpfen einbrechen würde, war damit gering. Dennoch war es ein mulmiges Gefühl, sich durch einen Tunnel zu bewegen, in den schon seit mehr als anderthalb Jahrhunderten niemand mehr einen Fuß gesetzt hatte– und an dessen Ende ein Killer wartete.
78
Max Hoffmann schaltete das Licht auf seiner Kamera an und richtete sie auf Gunther Schneider. Der helle Scheinwerfer ließ den ehemaligen Arzt noch älter aussehen, blass und über die Maßen erschöpft. Und dennoch konnte Inga Jäger ganz deutlich den leidenschaftlichen Hass erkennen, der in seinen Augen funkelte… die in seinen Eingeweiden wühlende Sehnsucht, nicht am hilflosen Ende der Kontrollkette zu sein… den Spieß herumzudrehen und statt selbst zu leiden den jungen Winzer leiden zu sehen. Dafür, dass dessen Familie seine Familie gemordet hatte– aus Rache für Gretchens Tod.
Aber da war mehr als das, hatte Achim Volz angedeutet.
Was war es, das Sieglinde Reichards Vater ihr gegenüber verheimlicht hatte?
» Sie müssen näher zusammenrücken, wenn ich Sie beide ins Bild kriegen soll«, sagte der Reporter von hinter dem Gerät her zu Achim Volz. » Oder soll ich hin- und herschwenken?«
» Nein. Ich kriege meinen fragwürdigen Ruhm vor der Kamera später noch«, antwortete der. » Für jetzt sorgen Sie nur dafür, dass man meine Stimme deutlich hört.«
» Okay, dann sind wir jetzt bereit«, sagte Max Hoffmann. » Kamera ab. Und los!«
Das Aufnahmelicht
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