Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
begann rot zu leuchten, und Inga Jäger sah, wie Achim Volz auf dem Monitor seines Notebooks überprüfte, dass die Aufnahme auch ins Netz gespeist wurde. Er drückte ein paar Tasten und nickte dann zufrieden.
Gunther Schneider wandte das Gesicht von der Kamera ab.
» Du sollst hineinsehen!«, rief Volz ungehalten.
Doch der alte Arzt drehte sich nur noch weiter weg.
Achim Volz sprang auf.
» Du willst es nicht verstehen, oder?«, knurrte er drohend. » Es gibt jetzt keinen Ort mehr, an dem du dich noch verstecken kannst. Das hier ist das Ende der Scharade. Es wird alles herauskommen. Aber es ist ganz allein deine Entscheidung, ob das friedlich vonstattengeht oder ob du noch einen Unschuldigen über die Klinge springen lässt.«
» Ich weiß verdammt noch mal nicht, wovon Sie überhaupt reden!«, begehrte Gunther Schneider auf, und Inga Jäger fiel auf, dass seine Worte trotz der Situation, in der er sich befand, einen irgendwie altmodisch wirkenden, herablassenden Unterton hatten– der studierte Arzt herrschte den einfachen Winzer an. Der Herr über Leben und Tod ließ sich dazu herab, mit dem einfachen Bauern zu sprechen. So als verliehen ihm seine Ausbildung und sein beruflicher Stand mehr Macht als dem anderen die Waffe in der Hand. Sie erinnerte sich daran, dass er auch ihr gegenüber so aufgetreten war, und fragte sich, wessen Geistes Kind man wohl sein musste, um selbst im einundzwanzigsten Jahrhundert solch einen Standesdünkel an den Tag zu legen.
Achim Volz spuckte vor Verachtung auf den Boden vor Schneiders Füßen. Dann richtete er die Luger auf Gernot und befahl ihm: » Komm her!«
Inga Jäger registrierte, dass er mit Gernot grundsätzlich sehr viel freundlicher sprach als mit Gunther.
Gernot zögerte.
Max Hoffmann schwenkte die Kamera zwischen ihm und Volz hin und her.
» Hey, Journalist!«, bellte Volz. » Du richtest deine Kamera gefälligst weiterhin auf Gunther. So, wie ich es dir gesagt habe. Nur auf Gunther. Ist das klar?«
Statt zu antworten, schwenkte Hoffmann zurück auf Gunther, dessen Gesicht von immer größer werdender Wut gezeichnet war.
Gernot stand noch immer auf der Stelle.
Achim Volz hob den Arm und zielte jetzt genauer– auf Gernots linke Schulter. » Zwing mich nicht dazu, dir erst den Arm wegzuschießen, Gernot. Komm einfach her.«
Der alte Mann folgte schließlich dem Befehl und schlurfte auf müden Füßen und mit Panik in den Augen zu Volz hinüber.
Der zog plötzlich von hinter seinem Rücken einen Hirschfänger aus dem Gürtel.
» Herr Volz!«, rief Inga Jäger. » Tun Sie das nicht!«
» Dann bringen Sie unseren sturen Herrn Doktor hier dazu, seine Herrlichkeit abzulegen und zu kooperieren!«, schnarrte Volz und drückte Gernot die Spitze der langen Klinge gegen den Brustkorb. » Oder sein Bruder wird der erste der Schneiders, dem das Herz noch bei lebendigem Leib herausgeschnitten wird!«
Er drehte sich mit dem Gesicht zu Gunther. » Muss ich es dir wirklich erst noch pochend in die alten Hände legen, damit du endlich, endlich, endlich die Wahrheit sagst?«
Gernot sah seinen Bruder mit flehenden und vor Angsttränen nassen Augen an. » Ich weiß nicht, was er von dir will, Gunther«, gestand er mit wackeliger Stimme. » Aber sag ihm doch einfach, was er hören will!«
Gunthers Miene wurde schlagartig weich, und Inga Jäger konnte jetzt auf einmal sogar Trauer und Schmerz darin lesen.
» Du verstehst nicht, Gernot«, sagte er, jedoch ohne seinen Bruder anzusehen.
» Natürlich versteht er nicht, Gunther«, sagte Volz. » Deswegen sind wir ja hier. Damit er und alle anderen endlich verstehen lernen.«
Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, presste er den Hirschfänger noch fester gegen Gernots Brust, und der stieß einen klagenden Schmerzenslaut aus.
» Doktor Schneider!«, rief Inga Jäger, die in den Augen des jungen Winzers las, dass er es ernst meinte und kurz davor stand, seine Drohung wahr zu machen. » Tun Sie, was er verlangt!«
» Bitte«, flehte auch Gernot noch einmal ängstlich.
» Erschießen Sie mich und lassen Sie ihn in Ruhe!«, bellte Gunther.
Volz prustete zynisch. » Das hättest du gern, was? Das würde alles so einfach machen, nicht wahr? Nichts da!«
Er drückte die Klinge noch fester in Gernots Fleisch– und der schrie auf vor Schmerzen.
» Doktor Schneider!«, rief Inga Jäger noch einmal. » Machen Sie, was er sagt!«
Da endlich senkte Gunther resignierend den Kopf und wandte sich dann schließlich zur Kamera.
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