Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
mich nicht«, bellte Inga Jäger, und ihre Augen zogen sich drohend zusammen. » Gestehen Sie einfach, und machen Sie dieser Farce damit endlich ein Ende. Wenn Sie es aufgehoben haben, um es ebenfalls zu konservieren, ist es, und das kann ich Ihnen versprechen, nur noch eine Frage der Zeit, bis wir Sieglindes Herz finden und auch die Organe in den Gläsern früheren Verbrechen zuordnen können!«
» Si-Sieglindes Herz? Sagten Sie eben Sieglindes Herz?« Sein Unterkiefer sackte herab, und er schaute sie ungläubig an. » Wollen Sie damit sagen, man hat meiner Frau das Herz entfernt, um sie umzubringen?«
» Tun Sie nicht so, Sie Bestie!«, herrschte sie ihn an. Ein zweites Mal würde sie nicht auf sein geschauspielertes Entsetzen und seine Leidensmiene hereinfallen. » Wann haben Sie mit dem Morden angefangen? Wer war Ihr erstes Opfer?«
» Das ist Wahnsinn, was Sie da vermuten«, begehrte er auf, und wie bereits bei ihrer ersten Begegnung waren seine Augen jetzt schon wieder nass von Tränen.
Inga Jäger war noch nie einem Mann begegnet, der sich so gut verstellen konnte.
» Beantworten Sie meine Frage«, forderte er lautstark mit überkippender Stimme. » Hat man Sieglinde das Herz entfernt? Vielleicht sogar noch bei lebendigem Leibe?«
» Sie wissen doch besser als jeder andere, dass sie schon tot war, als Sie es ihr für Ihre abartige Sammlung herausgeschnitten haben!«, erwiderte Inga Jäger.
Heiko Reichard begann zu heulen und fiel in sich zusammen. » Hören Sie auf«, schluchzte er verzweifelt, und zwischen seinen Lippen zogen sich ähnliche Speichelfäden, wie er sie so abstoßend gemalt hatte. » Wie können Sie auch nur für einen Moment lang annehmen, dass ich meiner Frau so etwas antun könnte? Ich bin doch kein Vieh!«
Inga Jäger sagte darauf nichts und betrachtete ihn nur voller Verachtung. Sein gespieltes Leid war eine Verhöhnung jedes Menschen, der den Schmerz, den Reichard nur vortäuschte, wirklich erfahren hatte, und sie selbst gehörte dazu. Vielleicht nahm sie sein Verhalten auch deswegen so persönlich. Ziemlich sicher sogar.
» Bitte«, flehte er, » Sie müssen mir glauben. Ich habe meine Frau nicht ermordet. Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist.«
» Erkennen Sie das hier wieder?«, fragte sie und legte ihm ein Papier vor, das sie bei den Unterlagen in seiner Frankfurter Wohnung gefunden hatten.
Er blinzelte die Tränen weg und sah es sich an. » Das… das ist mein Jagdschein«, sagte er schließlich.
» Dann wissen Sie also, wie man mit einem Hirschfänger umgeht und wie man Wild aufbricht.«
» Nicht wirklich«, sagte er spontan. » Moment. Sie wollen doch nicht etwa sagen, man hat ihr das Herz mit…«
» Hören Sie auf mit dem Theater, Mann!«, unterbrach Inga Jäger ihn schroff.
» Aber… ich spiele kein Theater!«, rief er. » Herrgott! Schauen Sie doch mal auf das Datum. Den habe ich 1982 gemacht. Da war ich gerade mal sechzehn. Jeder Bub im Rheingau, der was auf sich hält, macht einen. Aber die Sache war mir dann doch zu blutig. All das Töten, das Abfangen, das Ausweiden…«
» Das soll ich Ihnen glauben? Bei den Bildern, die Sie gemalt haben?«
» Sie dürfen doch nicht die Wirklichkeit mit der Kunst verwechseln!«, rief er.
» Es scheint mir eher, dass Sie das getan haben, Reichard«, konterte sie. » Sie haben unschuldige Menschen geschlachtet im Namen dessen, was Sie für hohe Kunst halten. Dafür bringe ich Sie lebenslang hinter Gitter. Das schwöre ich Ihnen!«
» Ich war es nicht!«
» Hören Sie, Reichard, sobald ich den Raum verlasse, werde ich Anklage erheben. Ein Geständnis würde sich strafmildernd auswirken. Aber das Angebot erlischt, wenn ich durch diese Tür gehe.«
Er sackte wieder in sich zusammen. » Ach, glauben Sie doch, was Sie wollen.«
Da klingelte ihr Handy.
Sie nahm das Gespräch entgegen.
Es war Rike Wiedemann, ihre Sekretärin. » Bitte entschuldigen Sie, Frau Jäger. Ich weiß, dass Sie nicht gestört werden wollten. Aber Frau Doktor Busch von der Pathologie meinte, es sei dringend.«
22
Forensisches Institut Wiesbaden. Pathologie.
» Es sind tatsächlich nur Tierorgane«, sagte die wasserstoffblonde Ärztin mit der Nickelbrille und deutete auf die Einmachgläser mit dem schrecklichen Inhalt, die sie auf einem der Tische in einer ordentlichen Reihe sortiert hatte. » Allesamt vor etwa elf Jahren von Doktor Sieglinde Reichards Frankfurter Praxis in einem kompletten Set bestellt und geliefert von einer etablierten
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