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Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Hagen
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Doch Inga Jäger erkannte, dass er die Kiefer so fest aufeinanderpresste, dass die Muskeln über seinem Jochbein hervortraten.
    » Sophia Kühne«, fuhr sie daher unbeirrt fort. » Ebenfalls am 22. September auf dem Eichberg im Rheingau ermordet. Das war im Jahr 1958, sie war dreiundzwanzig und gerade einmal drei Jahre verheiratet. Sie war eine geborene Schneider. Ihre zweite Schwester, Herr Doktor.«
    Seine Mundwinkel zuckten ganz leicht, doch er schwieg weiterhin eisern.
    » Nummer drei: Anna Gerlach«, zählte sie weiter auf. » Auch sie eine geborene Schneider, die Tochter Ihres Bruders Gernot, also Ihre Nichte. Brutal ermordet am 22. September 1971 auf dem Eichberg. An genau derselben Stelle wie alle anderen. Und ebenfalls auf die gleiche brutale Art und Weise. Aber das wissen Sie ja schon– Sie haben ja ihr Herz.«
    Als er jetzt immer noch nichts sagte, musste sich Inga Jäger zusammenreißen, ihn nicht anzuschreien; so wütend machte seine Maske sie.
    Sie zeigte auf das vierte Foto.
    » 1984. Mord Nummer vier«, sagte sie. » Marlene Krüger, geborene Tetzlaff. Zumindest den Papieren nach. In Wirklichkeit aber war sie gemäß ihrer Geburtsurkunde Ihre uneheliche Tochter, Doktor Schneider; gezeugt mit Ihrer damaligen Arzthelferin, Veronika Tetzlaff.«
    Jetzt zuckte auch der Winkel seines linken Auges, und sie konnte erkennen, wie seine Nasenflügel sich ein klein wenig weiteten, weil er heftiger zu atmen begonnen hatte.
    Sie fragte sich, warum er es ihr, aber vor allem sich selbst so verdammt schwer machte.
    » Und dann«, fuhr sie fort, » 1997. Der fünfte Mord. Der an Magda Eser. Bei ihr war die Verbindung zu Ihnen am schwersten zu entdecken, weil sie im zarten Alter von zwei Jahren adoptiert worden war, was weder sie selbst noch ihr Ehemann Thomas Eser jemals erfahren haben. Von einem Ehepaar Hohm. Tatsächlich aber war Magda eine geborene Kühne– die leibliche Tochter Ihrer 1958 ermordeten Schwester Sophia und ihres Manns Richard, der sich, nach seiner Verurteilung, 1959 in der Zelle erhängte. Und schließlich…«
    Sie deutete auf das Bild des sechsten und jüngsten Mordopfers: Sieglinde Reichard.
    » Hören Sie auf«, bat Dr. Schneider jetzt endlich. Die Festigkeit seiner Stimme wankte.
    » Das werde ich«, versicherte Inga Jäger mit offenem Blick. » Sobald Sie mir helfen zu verstehen, was hier seit fünfundsechzig Jahren wirklich vor sich geht.«
    Er beugte sich nach vorne– und in seinem Blick lag trotz des Schmerzes, den er offenkundig empfand, auch tiefe Verachtung.
    » Glauben Sie denn, ich hätte zugelassen, dass meine eigenen Töchter, Schwestern und Nichten ermordet werden, wenn ich wüsste, was hier vor sich geht, wie Sie das so flapsig und unangemessen formulieren, Frau Oberstaatsanwältin? Denken Sie denn wirklich, das Schwein, das meiner Familie das antut, wäre noch am Leben, wenn ich wüsste, was hier vor sich geht?«
    Das Pathos, mit dem er das sagte, war mehr als nur leidenschaftlicher Hass, das spürte Inga Jäger sofort– und damit auch, dass der alte Mann ihr noch lange nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte.
    » Jemand massakriert seit fünfundsechzig Jahren Mitglieder Ihrer Familie«, sagte sie gezielt kühl. » Nur die Mädchen und Frauen. Vielleicht wissen Sie wirklich nicht, wer dahintersteckt, denn ich glaube Ihnen aufs Wort, dass es dann auf die eine oder andere Weise schon längst aufgehört hätte.«
    » Darin sind wir uns also einig.«
    » Darin ja«, sagte sie. » Was ich Ihnen jedoch auf gar keinen Fall glaube, Doktor Schneider, ist, dass Sie nicht wissen, warum die Morde geschehen sind oder zumindest eine Ahnung haben oder einen Verdacht.«
    » Glauben Sie, was immer Sie wollen«, schaltete er zurück auf stur. » Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.«
    » Was versuchen Sie zu verbergen?«, bohrte sie weiter.
    » Ich versuche gar nichts zu verbergen.«
    » Oh doch, das tun Sie«, widersprach sie. » Wieso sonst verschweigen Sie den Behörden seit fünfundsechzig Jahren, dass Mitglieder Ihrer Familie ermordet werden? Welches Geheimnis hüten Sie?«
    » Keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, behauptete er. » Ich möchte gehen. Auf der Stelle.«
    Das Flackern in seinen Augen und das Mahlen seiner Kiefer verrieten ihr, dass sie auf der richtigen Spur war. In ihrem Kopf setzten sich die ersten Puzzleteile zusammen.
    » Ein Geheimnis, das so schrecklich sein muss, dass Sie sich vorhin sogar erschießen wollten, weil Sie befürchten mussten, wir wären bei unseren

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