Ihr wahrer Name
besessen hatte. Wenn er seine Termine regelmäßig aktualisiert hatte, mußten sie eigentlich noch in seinem Bürocomputer zu finden sein. Und ich hatte einen Schlüssel; ich konnte ganz legal Fepples Agentur betreten, mit dem Segen seiner Mutter.
Nachdem ich ein paar Telefonate erledigt, meine E-Mails durchgesehen und im Internet festgestellt hatte, daß es keine Antwort von Questing Scorpio auf meine Nachricht gab, fuhr ich nach Süden, in Richtung Hyde Park.
Diesmal erkannte mich der Wachmann. »Es gab' noch ein paar andere Leute hier im Gebäude, ohne die wir ganz gut auskommen könnten, falls Sie wieder einen Mordauftrag haben«, scherzte er.
Ich reagierte mit einem matten Lächeln und fuhr mit dem Aufzug in den fünften Stock. Oben fiel es mir schwer, die Tür zu Fepples Büro zu öffnen, nicht wegen des gelben Plastikbandes, das den Tatort versiegelte, sondern weil ich das, was von Fepples Leben übriggeblieben war, eigentlich nicht mehr sehen wollte. Nach tiefem Durchatmen drückte ich die Klinke herunter. Eine Frau in Schwesternuniform, die zum Aufzug unterwegs war, blieb stehen, um mich zu beobachten. Polizei oder Hausverwaltung hatten das Büro verschlossen. Ich holte den Schlüssel heraus und sperrte die Tür auf. Als ich sie öffnete, zerriß das gelbe Plastikband. »Ich dachte, man darf da nicht rein«, sagte die Frau. »Da haben Sie richtig gedacht, aber ich bin Detective.«
Sie trat neben mich, um an mir vorbei in den Raum zu spähen, und wandte sich dann sofort mit grauem Gesicht wieder ab. »Du liebe Güte. Das ist also da drinnen passiert? Wenn so was in diesem Gebäude möglich ist, suche ich mir wieder einen Job im Krankenhaus, egal, ob ich Überstunden machen muß oder nicht. Das ist ja schrecklich.«
Ich war genauso entsetzt wie sie, obwohl ich letztlich wußte, was mich erwartete. Fepples Leiche war verschwunden, aber es hatte sich niemand die Mühe gemacht, den Raum zu putzen. Gehirn-und Knochenstücke klebten an Stuhl und Schreibtisch.
Das sah man nicht von der Tür aus, doch was man sehen konnte, war das Durcheinander aus Papieren mit dem grauen Pulver der Spurensicherung für die Fingerabdrücke, das auch den Boden bedeckte. Fußspuren zeichneten sich darin ab. Das Pulver lag wie schmutziger Schnee auf dem Schreibtisch und dem Computer. Einen kurzen Moment mußte ich an Rhonda Fepple denken, die versuchen würde, Ordnung in dieses Durcheinander zu bringen. Ich hoffte nur, daß sie dafür eine Hilfe engagierte.
Die Polizei hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Computer auszuschalten. Mit einem Kleenex als Schutz für die Finger drückte ich auf die ENTER-Taste, so daß wieder etwas auf dem Bildschirm erschien. Ich brachte es nicht fertig, mich auf Fepples Stuhl zu setzen oder ihn auch nur zu berühren, und so beugte ich mich über den Schreibtisch, um die Tastatur zu bedienen. Trotz dieser unbequemen Haltung brauchte ich nur ein paar Minuten, um den Terminkalender aufzurufen. Am Freitag hatte Fepple eine Verabredung zum Essen mit Connie Ingram gehabt. Er hatte sogar eine Notiz beigefügt: Sagt, sie will die Sommers-Akte mit mir besprechen, klingt aber scharf auf mich. Ich druckte den Eintrag aus und verschwand dann aus dem Büro, so schnell ich konnte. Der Anblick, der sich mir dort bot, die schlechte Luft und dann noch die Vorstellung, daß Connie Ingram scharf auf Fepple gewesen sein sollte - all das verursachte mir ein Gefühl der Übelkeit. Ich ging zu einer Damentoilette, die jedoch verschlossen war, und steckte Fepples Türschlüssel ins Schloß, was zwar nicht die Tür öffnete, aber eine Frau im Innern dazu brachte, sie für mich aufzumachen. Schwankend stand ich eine Weile über einem der Waschbecken, spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, spülte mir den Mund aus und versuchte, die Bilder zu verdrängen, um mich nicht doch noch übergeben zu müssen.
Connie Ingram, die Angestellte mit dem runden, ehrlichen Gesicht, deren Loyalität der Gesellschaft gegenüber so weit ging, daß sie mich die Akten nicht hatte einsehen lassen? Oder welche Frau sonst war so loyal, daß sie sich mit einem aufsässigen Versicherungsagenten verabredete und ihn in die Falle lockte?
Plötzlich wurde ich als Folge der Frustrationen jener Woche von Wut übermannt. Rhea Wiell, Fepple selbst, mein wankelmütiger Klient, Lotty - ich hatte genug von ihnen allen. Am allermeisten galt das für Ralph und die Ajax. Er hatte mich wegen der Durham-Demo zur Schnecke gemacht und mir bei der Sache mit der
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