Ihr wahrer Name
waren.
»Haben Sie sich verlaufen?«
»Ich bearbeite einen Betrugsfall. Ralph Devereux, der Leiter der Leistungsabteilung, will sich mit mir unterhalten, aber die Menschenmenge draußen versperrt den Weg zum Haupteingang.« Er musterte mich, kam zu dem Schluß, daß ich nicht nach einer Terroristin aussah, und wählte die Nummer von Ralphs Büro, um meinen Namen durchzugeben. Er brummte etwas in den Hörer und gab mir dann mit einer Kopfbewegung zu verstehen, daß ich an den Apparat kommen solle. »Hallo, Ralph. Gott sei Dank bist du noch da. Wir müssen uns über Connie Ingram unterhalten.« »Allerdings. Ich hätte dich morgen angerufen, aber wenn du schon da bist, können wir auch gleich miteinander reden. Und glaub ja nicht, daß ich dir irgendwelche Entschuldigungen für dein Verhalten abnehme.« »Ich mag dich auch, Ralph. Bis gleich.«
Der Wachmann tippte auf die Monitore des Kontrollpults, um mir den Weg zu zeigen: Eine Tür am hinteren Ende des Ladeplatzes führte zu einem Gang, durch den ich in das Hauptfoyer gelangen würde. Kurz vor den Aufzügen blieb ich stehen, um die gegnerischen Demonstranten zu beobachten. Durham, der diesmal einen marineblauen Geschäftsanzug trug, hatte die größere Menschenmenge hinter sich, doch Posner kontrollierte das, was die Sprechchöre verkündeten. Als seine kleine Gruppe von Maccabees an der Tür vorbeikam, wurden meine Augen groß. Links neben Posner, das kindliche Gesicht strahlend unter den schütter werdenden Locken, war Paul Radbuka.
28
Alte Liebe streitet auch
Der Aufzug brachte mich so schnell in den zweiundsechzigsten Stock, daß meine Ohren verstopften, doch das fiel mir kaum auf. Paul Radbuka an der Seite von Joseph Posner. Wieso überraschte mich das so? Irgendwie paßte das doch. Zwei Männer, besessen von Kriegserinnerungen, von ihrer jüdischen Identität, was wäre wahrscheinlicher, als daß die beiden sich zusammentaten?
Die Empfangsdame der Chefetage war bereits nach Hause gegangen. Ich trat an das Fenster hinter ihrem Mahagonitisch, von dem aus ich hinter dem Art Institute den Lake sehen konnte. Am Horizont verlor sich das sanfte Blau in Wolken, so daß man nicht mehr sagen konnte, wo das Wasser aufhörte und der Himmel begann. Er sah fast künstlich aus, jener Horizont, als hätte ein Maler angefangen, einen schmutzig-weißen Himmel darauf zu malen, dann aber das Interesse an dem Projekt verloren.
Ich sollte um acht bei den Rossys sein; jetzt war es noch nicht mal ganz fünf. Ob ich Radbuka von hier aus folgen und so herausfinden konnte, wo er wohnte? Nun, vielleicht würde er auch mit zu Posner fahren. Vielleicht hatte er bei ihm eine Familie gefunden, die bereit war, ihn bei sich aufzunehmen und sich so um ihn zu kümmern, wie er es zu brauchen schien. Vielleicht würde er aufhören, Max zu belästigen.
»Vic! Was machst du denn da? Es ist schon fünfzehn Minuten her, daß du vom Ladeplatz hochgerufen hast.«
Ralphs zornig-besorgte Stimme holte mich in die Gegenwart zurück. Er war in Hemdsärmeln, hatte die Krawatte gelockert und wirkte beunruhigt hinter seiner wütenden Fassade. Seine Sorge brachte mich dazu, meine Stimme nicht zu erheben, als ich ihm antwortete.
»Ich hab' den Ausblick genossen. Es wäre doch toll, wenn man das ganze Durcheinander hier hinter sich lassen und dem Horizont folgen könnte, findest du nicht? Ich weiß, warum ich mich über Connie Ingram ärgere, aber nicht, warum du so unfreundlich bist.«
»Was hast du mit dem Mikrofiche gemacht?«
»U-lu-la vischti banko.«
Er preßte die Lippen zusammen. »Was zum Teufel soll das denn heißen?«
»Deine Frage ergibt ungefähr genausoviel Sinn für mich wie das, was ich gerade gesagt habe. Ich kenne keine Mikrofiches, weder persönlich noch vom Hörensagen, also solltest du mir lieber alles von Anfang an erzählen...« Ich schwieg. »Willst du damit sagen, daß das Mikrofiche von der Sommers-Akte beschädigt ist?«
»Sehr schön, Vic: die überraschte Unschuld. Fast hättest du mich überzeugt.«
In diesem Augenblick war's mit meiner Ruhe zu Ende. Ich schob ihn beiseite, marschierte zum Aufzug und drückte auf den Rufknopf.
»Wo willst du hin?«
»Nach Hause«, preßte ich hervor. »Eigentlich wollte ich dich fragen, warum Connie Ingram Howard Fepple als letzte lebend gesehen und warum sie ihm das Gefühl gegeben hat, daß sie auf ihn steht, und warum Fepple nach der Verabredung mit ihr tot und die Agenturkopie der Sommers-Akte verschwunden war. Aber diesen
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