Ihr wahrer Name
für einen Mr. Paul Radbuka und brauchten seine Privatadresse. Es handelt sich um ein starkes Medikament aus der Gruppe der Psychopharmaka; wir können es nicht herausgeben ohne eine Möglichkeit, ihn zu erreichen.« Ich sprach in nasalem Singsang, als habe ich die bürokratische Litanei auswendig gelernt.
»Würden Sie dann bitte in Ihren Unterlagen notieren, daß Sie diese Nummer nicht verwenden können? Wir sind ein Büro, für das er manchmal ehrenamtlich arbeitet, aber wir sind nicht in der Lage, seine Gespräche entgegenzunehmen. Ich sage Ihnen seine Privatadresse.«
Mein Herz klopfte so heftig, als hörte ich die Worte eines Geliebten. Ich notierte eine Adresse in der Roslyn Street und wiederholte sie. In meiner Aufregung vergaß ich völlig den nasalen Singsang.
Aber was machte das jetzt noch? Ich hatte, was ich wollte. Und ich hatte Rhea Wiell gegenüber nicht einmal gewalttätig werden müssen, um es zu bekommen.
38
Heartbreak House
Die Roslyn Street war winzig, kaum einen Häuserblock lang, und führte auf den Lincoln Park. Radbukas Haus befand sich an der Südseite, beim Parkende. Es handelte sich um ein altes Gebäude aus grauem Stein, dessen Vorderseite wie die der meisten Häuser in dieser exklusiven Gegend nahe an die Straße heranreichte. Am liebsten hätte ich die Tür eingeschlagen, wäre hineingestürmt und auf Radbuka losgegangen, aber statt dessen sah ich mich so unauffällig um wie möglich. So nahe am Lincoln Park kamen ziemlich viele Jogger, Hundebesitzer und Spaziergänger an mir vorbei, obwohl es noch früh am Nachmittag war und die meisten Leute noch nicht von der Arbeit zurückgekehrt waren.
Die Haustür war aus massivem Holz mit einem Spion, so daß Radbuka eventuelle Besucher begutachten konnte. Ich hielt mich aus seinem Blickfeld heraus, während ich vier oder fünf Minuten lang Sturm klingelte. Als sich nichts rührte, konnte ich dem Impuls nicht mehr widerstehen, mich nach den Dokumenten umzusehen, die ihm bewiesen, daß er Radbuka hieß. Ich drückte gegen die Tür - es wäre albern, das Risiko einzugehen, bei einem Einbruch beobachtet zu werden, wenn ich auch ohne hineinkäme -, aber der Messingknauf ließ sich nicht bewegen.
Ich hatte keine Lust, vor den Augen so vieler Jogger mit meinen Dietrichen zu hantieren, was bedeutete, daß ich von hinten hineinmußte. Den Wagen hatte ich drei Häuserblocks von der Roslyn Street entfernt abgestellt. Ich kehrte zu dem Mustang zurück und holte einen blauen Overall mit der Aufschrift »Elektrokundendienst« auf der linken Brusttasche sowie einen Werkzeuggürtel aus einer Kiste im Kofferraum, mit denen ich in die Toilette des Gewächshauses im Park ging. Eine Minute später kam ich wieder heraus: Um authentischer zu wirken, hatte ich ein blaues Tuch um die Haare gebunden.
Vor Radbukas Haus versuchte ich es noch einmal mit Klingeln und folgte dann einem schmalen, mit Steinplatten ausgelegten Weg an der Ostseite nach hinten. Plötzlich stand ich vor einem drei Meter hohen Tor mit schwerem Schloß. Ich ging mit meinen Dietrichen in die Hocke und versuchte, die Passanten draußen in der Hoffnung zu ignorieren, daß sie mich ebenfalls nicht beachteten.
Der Schweiß lief mir in Strömen herunter, als es mir endlich gelang, das Tor zu öffnen. Es ließ sich von beiden Seiten nur mit Hilfe eines Schlüssels aufmachen, und so klemmte ich ein Stück Papier dazwischen, damit es nicht wieder einschnappte.
Die Grundstücke an der Roslyn Street waren schmal, kaum breiter als die Häuser selbst, aber dafür lang, ohne die Lieferzufahrten und Garagen zwischen den meisten Straßen in der Innenstadt. Ein zweieinhalb Meter hoher, ein wenig vergammelter Holzzaun trennte den Garten von der Straße dahinter.
Pauls Vater hatte offenbar mit seiner Arbeit ein Vermögen verdient, denn sonst hätte sich der Sohn das Haus hier nicht leisten können, doch Pauls Depressionen oder aber Geldmangel hatten zu seinem Verfall beigetragen. Der Garten war von Büschen und kniehohem Unkraut überwuchert. Als ich mir einen Weg in Richtung Küchentür bahnte, fauchten mich mehrere Katzen an und liefen dann weg. Ich bekam eine Gänsehaut.
Das Schloß hier schien genau das gleiche zu sein wie das am Tor, also verwendete ich dieselben Dietriche wie zuvor und hatte es in weniger als einer Minute geöffnet. Bevor ich die Küche betrat, zog ich ein Paar Latexhandschuhe an. Damit ich es später nicht vergaß, nahm ich ein Geschirrhandtuch von der Spüle und wischte damit die
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