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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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dieselbe Bank und denselben Namen. Eine weitere Karte, auf der stand, im Notfall sei Rhea Wiell zu benachrichtigen, unter ihrer Büronummer. Kein Versicherungsausweis, keine anderen Dokumente, die etwas über seine Identität ausgesagt hätten. Ich steckte die Brieftasche vorsichtig zurück.
    Erst jetzt merkte ich, daß ich mit den blutverschmierten Latexhandschuhen und den Dietrichen im Werkzeuggürtel nicht den allerbesten Eindruck machen würde. Falls die Polizei zusammen mit den Sanitätern hier auftauchte, wollte ich keine unangenehmen Fragen darüber beantworten müssen, wie ich ins Haus gelangt war. Also rannte ich ins Bad, wusch mir die behandschuhten Hände schnell, aber gründlich und öffnete eins der Fenster in Pauls Schlafzimmer. Dann warf ich die Dietriche in einen dichten Busch im Garten, was eine Katze aufschreckte, die mit herzzerreißendem Miauen zwischen zwei losen Brettern des Zauns durchschlüpfte. Als ich wieder bei Paul war, nahm ich Ninshubur in die Hand. »Na, hast du ihm das Leben gerettet, du kleiner blutverschmierter Hund? Wie hast du das geschafft?«
    Ich untersuchte das feuchte Plüschtier. Die Hundemarken, die ich Calia für Ninshubur gegeben hatte, waren's gewesen. Eine von ihnen war an der Stelle verbogen und eingedellt, an der die Kugel sie getroffen hatte. Natürlich waren die Dinger zu weich, um eine Kugel vollständig abzuhalten, aber vielleicht hatten sie die Kraft des Einschlags gemindert.
    »Ich weiß, daß du ein Beweisstück bist, aber vermutlich würdest du den Leuten von der Spurensicherung nicht viel verraten. Ich glaube, ich werde dich saubermachen und zu deiner kleinen Herrin zurückbringen.«
    Mir fiel kein besserer Aufbewahrungsort für Ninshubur ein als der, den Paul benutzt hatte: Ich wickelte ihn in den letzten Streifen des Lakens, knöpfte meinen Overall auf und steckte ihn in meine Bluse. Dann lauschte ich weiter auf Pauls Atem und warf einen Blick auf die Uhr: Vier Minuten seit meinem Anruf. Noch eine Minute, dann würde ich ein zweites Mal anrufen.
    Nach einer Weile erhob ich mich und betrachtete den Rest dieser an einen großen Schrein erinnernden Gedenkstätte. Was hatte der Schütze nur so dringend gewollt, daß er auf Paul schoß, um es zu bekommen? Derjenige, der Ulfs Arbeitszimmer durchsucht hatte, war in diesem Raum mit derselben Rücksichtslosigkeit und Ungeduld vorgegangen. Die Bücher lagen genauso aufgeschlagen auf dem Boden wie drüben. Ich berührte sie nicht für den Fall, daß sich Fingerabdrücke darauf befanden, sah aber, daß es sich um eine große Sammlung von Schriften über den Holocaust handelte: Memoiren und geschichtliche Abhandlungen von Ehe Wiesel bis William Shirer. Ich entdeckte Lucy Dawidowicz' War Against the Jews und Judith Isaacsons Seed of Sarah. Wenn Paul Tag für Tag solche Sachen gelesen hatte, war es kein Wunder, daß er nicht mehr so genau zwischen den Erinnerungen anderer und seinen eigenen unterscheiden konnte. Ich wollte gerade die Treppe hinuntergehen, um noch einmal anzurufen, als ich endlich Schritte und lautes Rufen vom Eingang hörte. »Hier rauf«, rief ich meinerseits, zog die Latexhandschuhe aus und stopfte sie in eine Tasche.
    Die Sanitäter kamen mit einer Tragbahre herauf. Ich führte sie zum Ende des Flurs, blieb aber hinter ihnen, um sie nicht zu behindern. »Sind Sie seine Frau?« fragten die Sanitäter.
    »Nein, eine Freundin«, antwortete ich. »Ich sollte was abholen, und da hab' ich dieses... Chaos... hier gesehen. Er ist nicht verheiratet und hat, soweit ich weiß, auch keine sonstigen Angehörigen.« »Können Sie ins Krankenhaus mitkommen und die nötigen Formalitäten erledigen?« »Er hat Geld und kann die Rechnung wenn nötig selbst bezahlen. Ich glaube, in seiner Brieftasche ist ein Zettel, auf dem steht, wen man im Notfall benachrichtigen soll. In welches Krankenhaus bringen Sie ihn?«
    »Ins Compassionate Heart - das ist das nächste. Gehen Sie in die Rezeption der Notaufnahme, um die Formulare auszufüllen, wenn Sie dort vorbeikommen. Könnten Sie uns helfen, die Decke wegzunehmen? Wir heben ihn jetzt auf die Tragbahre.« Als ich die Decke wegzog, fiel ein Schlüssel heraus, den Paul offenbar bis dahin festgehalten hatte. Ich ging in die Hocke, um ihn aufzuheben, während sie ihn auf die Tragbahre hievten. Die Bewegung ließ ihn kurz zu Bewußtsein kommen. Er öffnete die Augen mit flackerndem Blick und entdeckte mich in Augenhöhe neben sich. »Schmerzen. Wer... Sie?«
    »Ich bin eine Freundin

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