Ihr wahrer Name
natürlich ihre Termine ab, aber dann spricht sie mit mir darüber.« »Hat noch jemand bei Ihnen angerufen?« fragte ich voller Sorge.
»Nein, nur... sie hat eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter im Büro hinterlassen. Ich hab's nicht glauben können, als ich sie gehört habe, und gleich bei ihr zu Hause und dann bei Mr. Loewenthal angerufen, um ihn zu fragen, ob sie etwas zu irgend jemandem im Krankenhaus gesagt hat. Aber niemand dort weiß etwas - nicht einmal Dr. Barber. Sie vertreten sich ja immer gegenseitig in Notfällen. Einer von Dr. Herschels Kollegen kommt mittags vorbei und kümmert sich um eventuelle akute Probleme. Aber wenn sie nicht krank ist, wo steckt sie dann?«
Wenn Max es nicht wußte, dann niemand. Ich versprach Mrs. Coltrain, in Lottys Wohnung nachzusehen. Keiner von uns sagte es, doch beide stellten wir uns vor, wie Lotty bewußtlos auf dem Boden lag. Ich suchte die Nummer von Lottys Hausverwaltung aus dem Telefonbuch und ließ mich zum Pförtner durchstellen, der Dr. Herschel an jenem Tag noch nicht gesehen hatte. »Hat in dem Haus irgend jemand Schlüssel zu ihrer Wohnung? Könnte ich rein, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist?«
Er warf einen Blick in seine Liste. Lotty hatte die Namen von Max und mir für Notfälle angegeben; wahrscheinlich, sagte der Mann mir, konnte der Hausmeister mich reinlassen, wenn ich keine Schlüssel hatte. Wann würde ich kommen? In zwanzig Minuten? Dann würde er Gerry aus dem Keller holen, wo er gerade eine Boilerreparatur überwachte.
Als ich gehen wollte, rief Mary Louise an. Sie war in der South Side bei Gertrude Sommers - ja, die Tante meines Klienten -, die mir persönlich etwas sagen wollte. Ich hatte völlig vergessen, daß Mary Louise sich für mich über den dubiosen Cousin meines Klienten erkundigen sollte. Die Notiz hatte ich ihr am Nachmittag zuvor hingelegt, aber in der Zwischenzeit war so viel passiert, daß es mir vorkam, als sei ein ganzer Monat vergangen.
Ich unterdrückte ein Seufzen. Ich war müde und hatte es satt, vom einen Ende Chicagos zum anderen zu hasten. Ich sagte Mary Louise, daß ich, vorausgesetzt, es ereignete sich nichts Dramatisches bei Lotty, in ungefähr neunzig Minuten bei Gertrude Sommers sein würde.
45
Gerüchte
Der Pförtner von Lottys Haus hatte mich schon ein paarmal gesehen, aber er und Gerry, der Hausmeister, bestanden trotzdem darauf, daß ich ihnen einen Ausweis zeigte, bevor Gerry mit mir hinauf in den siebzehnten Stock fuhr. Normalerweise hätte mich das ungeduldig gemacht, doch jetzt bewirkte es, daß ich im Hinblick auf Lottys Sicherheit ein besseres Gefühl bekam.
Als wir ihre Wohnung erreichten, klingelte Gerry mehrmals, bevor er die Tür aufschloß. Er ging mit mir durch die Räume, wo wir keine Spur von Lotty entdeckten, aber auch keinen Hinweis darauf, daß eine gewaltsame Auseinandersetzung stattgefunden hätte.
Unter den mißbilligenden Blicken Gerrys suchte ich in allen Schubladen in dem kleinen Raum, den Lotty als Arbeitszimmer nutzt, und dann auch in denen in Lottys Schlafzimmer nach Hoffmans Büchern. Gerry folgte mir von Raum zu Raum, während ich mir vorzustellen versuchte, wo Menschen Dinge verstecken - zwischen Kleidern, unter Teppichen und Matratzen, in Küchenschränken, hinter Bildern an der Wand, zwischen den Büchern auf den Regalen.
»Dazu haben Sie kein Recht, Miss«, sagte Gerry, als ich in die Schublade mit Lottys Unterwäsche schaute.
»Sind Sie verheiratet, Gerry? Haben Sie Kinder? Wenn bei Ihrer Frau oder einer Ihrer Töchter in der Schwangerschaft Komplikationen auftreten würden, wäre Dr. Herschel diejenige, an die Sie sich wenden könnten. Sie nimmt ihre Arbeit so ernst, daß sie sich erst dann krank meldet, wenn sie hohes Fieber hat und Angst, daß dadurch ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt wird. Und jetzt ist sie plötzlich verschwunden. Ich suche hier nach Hinweisen, ob sie aus freien Stücken gegangen ist oder nicht, ob sie eine Tasche gepackt hat oder nicht.«
So ganz schien er mir nicht zu glauben, aber er ließ mich weiter gewähren. Hoffmans Bücher fand ich nicht, also mußte sie sie mitgenommen haben. Es war ihre eigene Entscheidung gewesen zu verschwinden. Es mußte einfach so sein. »Ist ihr Wagen in der Garage?« fragte ich.
Er setzte sich übers Sprechfunkgerät mit dem Pförtner in Verbindung; Jason sagte, er würde hinausgehen und nachschauen.
So könnte ein Eindringling ins Haus kommen: Er würde warten, bis der Pförtner in die Garage ging,
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