Ihr wahrer Name
völlig anderen Licht erscheinen.«
»Verdammt, Vic, das kannst du alles nicht beweisen!« Ralph schlug so heftig auf die Aluminiumoberfläche seines Schreibtischs, daß er vor Schmerz zusammenzuckte. »Nein, weil die Bücher von Hoffman immer wieder verschwinden. Aber glaub mir, Rossy ist ihnen auf der Spur. Die Hauptstelle in Zürich kann es sich nicht leisten, daß das alles ans Licht kommt. Und die Edelweiß kann es sich nicht leisten, daß irgend jemand die Bücher von Hoffman sieht. Ich würde wetten, daß Rossy und seine Frau für Howard Fepples Tod verantwortlich sind. Ich würde außerdem wetten, daß er die arme kleine Connie umgebracht hat. Und ich würde wetten, er hat ihr erzählt, daß sie an einem höchst geheimen Projekt beteiligt ist, nur für ihn allein arbeitet, niemandem etwas davon sagen soll, nicht Karen, nicht dir, nicht ihrer Mutter. Er sieht gut aus, ist reich und hat Macht; sie hingegen war nur ein kleines Aschenbrödel. Wahrscheinlich war er für sie der Traumprinz.
Sie hatte sich Loyalität gegenüber der Ajax geschworen, und er war die Ajax, also kam sie nicht in Konflikt, nein, es war sogar ungeheuer aufregend.«
Ralph war kalkweiß im Gesicht. Unbewußt massierte er seine rechte Schulter, in die zehn Jahre zuvor eine Kugel aus der Waffe seines Chefs eingedrungen war.
»Vermutlich bringt die Polizei den Mord an Connie mit der Ajax in Verbindung, sonst hättet ihr euch nicht alle am Samstag hier versammelt«, sagte ich.
»Die Mädchen - Frauen -, mit denen sie am Freitag abend gewöhnlich noch auf einen Drink gegangen ist, erzählen, sie hat ihnen abgesagt, weil sie noch länger arbeiten mußte«, erklärte Ralph mit schleppender Stimme. »Aber sie hat das Gebäude nach Aussage ihrer Kollegen mit allen anderen verlassen. Als eine Mitarbeiterin sie aufgezogen hat, sie hätte wohl eine Verabredung, von der sie ihnen nichts erzählen wolle, war ihr das schrecklich peinlich, und sie hat gesagt, es sei ganz anders, man habe sie gebeten, nicht darüber zu reden. Die Leute von der Polizei sehen sich jetzt bei der Ajax um.«
»Läßt du mich nun einen Blick auf Connies Arbeitskopie werfen?«
»Nein.« Seine Stimme war jetzt kaum lauter als ein Flüstern. »Ich möchte, daß du das Gebäude verläßt. Und falls du mit dem Gedanken spielst, im achtunddreißigsten Stock auszusteigen und dich selbst nach der Kopie umzuschauen, dann vergiß es: Ich schicke sofort Karen hinunter zu Connies Schreibtisch, damit sie all ihre Papiere einsammelt und hier heraufbringt. Ich werde es nicht zulassen, daß du wie ein Cowgirl auf der Suche nach verlorenen Rindern durch meine Abteilung fegst.«
»Versprichst du mir eines? Nein, eigentlich zwei Dinge: Siehst du dir Connies Papiere an, ohne Bertrand Rossy davon zu erzählen? Und sagst du mir, was du darin findest?«
»Ich verspreche dir überhaupt nichts, Warshawski. Aber du kannst sicher sein, daß ich das, was von meiner Karriere noch übrig ist, nicht aufs Spiel setze, indem ich mit dieser Geschichte zu Rossy gehe.«
50
Luftsprünge
Bevor ich Ralphs Büro verließ, gab ich Denise noch einmal meine Visitenkarte. »Er wird sich mit mir in Verbindung setzen wollen«, sagte ich mit mehr Überzeugung in der Stimme, als ich eigentlich empfand. »Bitte teilen Sie ihm mit, daß er mich dieses Wochenende jederzeit unter meiner Handynummer erreichen kann.«
Es war schwer zu ertragen, daß ich nicht selbst einen Blick auf Connie Ingrams Arbeitskopie werfen konnte, aber Karen Bigelow fuhr mit mir bis zum achtunddreißigsten Stock und versicherte mir dort, daß sie die Leute vom Sicherheitsdienst holen würde, wenn ich auf die Idee käme, ihr zu Connies Arbeitszimmer zu folgen.
Sobald ich das Gebäude verlassen hatte, begann ich eine Reihe sinnloser Aktivitäten. Don Strzepek hatte beschlossen, meinen Rat, die Stadt zu verlassen, nicht anzunehmen, aber immerhin konnte er Rhea überreden, daß ich sie in ihrem Stadthaus an der Clarendon Avenue besuchen durfte. Anhand ihrer Beschreibung des Angreifers hoffte ich, herausfinden zu können, ob es sich um einen der Rossys gehandelt hatte.
Das war die erste vergeudete Stunde. Don ließ mich ins Haus und führte mich an einem kleinen Wasserfall mit darunter treibenden Lotusblüten vorbei zu einem Solarium, wo Rhea in einem großen Sessel saß. Ihre leuchtenden Augen betrachteten mich aus einem Kokon aus Umhängetüchern heraus. Während sie Kräutertee trank und sich von Don die Hand halten ließ, erzählte sie mir die
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