Ihr wahrer Name
Hand los. »An die Wand«, keuchte ich.
»Arrestate«, hörte ich da Fillida Rossys Stimme hinter mir. »Halt, oder ich erschieße diese Frau.«
Sie war aus ihrem Versteck aufgetaucht und stand nun hinter Mrs. Coltrain, der sie eine Waffe in den Nacken preßte. Fillida sah merkwürdig aus; erst nach ein paar Sekunden wurde mir klar, daß sie ihre blonden Haare unter einer schwarzen Perücke verborgen hatte.
Mrs. Coltrain zitterte, und ihre Lippen bewegten sich tonlos. Wütend ließ ich mir von Rossy die Smith & Wesson abnehmen. Er drehte mir die Arme auf den Rücken und fesselte sie mit Klebeband.
»Auf englisch, Fillida. Ihre anderen Opfer verstehen Sie nicht. Sie hat gerade gesagt, ich soll aufhören, oder sie würde Mrs. Coltrain erschießen«, fügte ich, an Ralph gewandt, hinzu. Ist das wieder eine SIG, Fillida? Schmuggelt Ihre Freundin, die Frau des Kulturattaches, sie für Sie aus der Schweiz nach Amerika? Die Beamten von der Polizei haben bis jetzt nicht herausgefunden, woher die stammt, mit der Sie Howard Fepple erschossen haben.«
Rossy schlug mir auf den Mund. Keine Spur mehr von seinem Lächeln und seinem Charme. »Wir haben Ihnen in keiner Sprache etwas zu sagen, aber Sie könnten uns eine ganze Menge verraten. Wo sind die Bücher von Herrn Hoffman?«
»O doch, Sie haben mir sogar sehr viel zu sagen«, widersprach ich. »Zum Beispiel, warum Ralph hier ist.«
Rossy machte eine ungeduldige Geste. »Es war das einfachste, ihn mitzubringen.«
»Warum? Ach, genau: Ralph, du hast Connies Arbeitskopie gefunden und sie zu Rossy gebracht.
Ich hab' dich doch gebeten, das nicht zu tun.«
Ralph schloß die Augen, um mich nicht ansehen zu müssen, doch Rossy sagte voller Ungeduld: »Ja, er hat mir die Notizen von diesem albernen Mädchen gezeigt. Was für ein albernes, pflichtbewußtes Mädchen. Hübsch, wie ordentlich sie alle Akten aufbewahrt hat. Auf die Idee bin ich nicht gekommen - sie hat mir kein Wort davon gesagt.«
»Natürlich nicht«, pflichtete ich ihm bei. »Sie hat diese Arbeitsabläufe als selbstverständlich erachtet, und Sie haben keine Ahnung von den Organisationsprinzipien auf dieser Ebene.« Diese beiden hatten so viele Menschen getötet, da fiel mir keine Möglichkeit ein, sie daran zu hindern, noch drei weitere umzubringen. Hinhalten, das war die einzige vernünftige Taktik. Und ruhig bleiben, im Plauderton weiterreden, damit sie nicht merken, wieviel Angst man hat.
»Hat Fepple gedroht zu enthüllen, daß die Edelweiß doch eine ganze Menge Policen aus der Zeit des Holocaust hatte? Hätte Connie Ingram überhaupt begriffen, was das bedeutete?« »Natürlich nicht«, sagte Rossy ungeduldig. »Herr Hoffman hat in den sechziger und siebziger Jahren begonnen, Sterbeurkunden für seine europäischen Kunden bei der Edelweiß einzureichen -von den Leuten, denen er vor dem Krieg in Wien Lebensversicherungen verkauft hatte.« »Ist das zu fassen?« ereiferte sich Fillida über Hoffmans Dreistigkeit. »Er hat die Lebensversicherungen vieler Wiener Juden kassiert. Er wußte nicht mal sicher, ob sie tot waren, weil er das nicht nachprüfen konnte, also hat er einfach die Sterbeurkunden gefälscht. Es ist ein Skandal, wie er sich an mir und meiner Familie bereichert hat.«
»Aber Aaron Sommers war kein Wiener Jude«, widersprach ich, für einen Augenblick vom eigentlichen Problem abgelenkt.
Bertrand Rossy fauchte: »Dieser Hoffman muß völlig verrückt gewesen sein. Entweder das oder vergeßlich. Er hatte 1935 einen österreichischen Juden namens Aaron Sommers versichert und 1973 einen schwarzen Amerikaner des gleichen Namens. Und er hat eine Sterbeurkunde für den Schwarzen eingereicht statt für den Juden. Es war alles so dumm und unnötig, aber für uns letztlich ein Glück. Er war der einzige Vertreter mit einem großen Bestand an Vorkriegspolicen für jüdische Kunden gewesen, den wir nicht hatten finden können. Und dann hat sich herausgestellt, daß er sich hier in Chicago aufhielt, direkt vor unserer Nase. An dem Tag im Büro von Devereux, als ich mir die Sommers-Akte angesehen habe und plötzlich Ulf Hoffmans Unterschrift vor mir hatte, konnte ich mein Glück fast nicht fassen. Der Mann, den wir fünf Jahre lang gesucht hatten, war hier in Chicago. Es wundert mich immer noch, daß Sie und Devereux meine Aufregung nicht bemerkt haben.«
Er schwieg, um in seiner Freude über seine gelungene Vorstellung zu schweigen. »Aber dieser Fepple war ein Volltrottel. Er hat eine von Hoffmans
Weitere Kostenlose Bücher