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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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litten unter vollkommener Amnesie über ihre Kindheit, als sie mit der Therapie begannen. Einer hatte partielle, zwei weitere ihrer Meinung nach vollständige Erinnerungen, obwohl die Therapie ihnen auch half, neue Schichten freizulegen. In gewisser Hinsicht ist es aufregender, jemandem, der unter Amnesie leidet, bei der Freilegung von Erinnerungen zu helfen, aber schwieriger ist es, Menschen, die noch Erinnerungsreste haben, beim Füllen der Lücken Anleitungen zu geben.«
    Don unterbrach sie mit der Frage, ob es denn eine Möglichkeit gebe, Erinnerungen zu verifizieren, die durch die Therapie freigelegt würden. Ich hatte erwartet, daß Rhea Wiell in die Defensive gehen würde, doch sie reagierte ganz ruhig.
    »Deshalb habe ich die erwähnten Fälle herausgesucht. Für jeden von ihnen gibt es mindestens einen anderen Menschen aus der Kindheit, der die Ergebnisse der Therapie bestätigen kann. Bei manchen ist es ein Bruder oder eine Schwester. In einem Fall ist es ein Sozialarbeiter, in zwei anderen sind es Lehrer der Grundschule.«
    »Wir müßten eine schriftliche Erlaubnis einholen.« Don machte sich eine Notiz. »Von den Patienten und den Leuten, die ihre Aussagen bestätigen, den Zeugen.«
    Sie nickte wieder. »Natürlich würde ich ihre wahren Namen nicht nennen, nicht nur, um sie selbst, sondern auch um ihre Angehörigen und Kollegen zu schützen, denen solche Enthüllungen schaden könnten. Aber Sie bekommen die schriftliche Erlaubnis.«
    »Handelt es sich bei den anderen Patienten ebenfalls um Überlebende des Holocaust?« fragte ich. »Paul zu helfen war ein unglaubliches Geschenk.« Ein so ekstatisches und intimes Lächeln spielte um ihre Lippen, daß ich instinktiv auf dem Ruhesessel zurückrutschte, weg von ihr. »Die meisten meiner Patienten haben es mit schrecklichen Traumata zu tun, aber alle im Kontext unseres eigenen amerikanischen Kulturkreises. Paul zu dem Punkt zurückzuführen, an dem er als kleiner Junge mit seinen Spielkameraden im Konzentrationslager gebrochenes Deutsch redete, war die erschütterndste Erfahrung meines Lebens. Ich kann mir im Moment nicht einmal vorstellen, wie wir das in angemessener Form schriftlich ausdrücken sollen.« Sie sah ihre Hände an und fügte dann mit erstickter Stimme hinzu: »Ich glaube, er hat erst neulich ein Erinnerungsfragment über den Tod seiner Mutter freigelegt.«
    »Ich tue, was ich kann«, murmelte Don. Auch er war von ihr weggerutscht.
    »Sie haben gesagt, Sie würden die wahren Namen der Patienten nicht nennen«, meinte ich. »Dann ist Paul Radbuka also nicht sein richtiger Name?«
    Die Ekstase verschwand aus Rhea Wiells Gesicht und machte wieder der Patina ruhiger Professionalität Platz. »Er ist der einzige, der keine Angehörigen mehr zu haben scheint, die durch seine Enthüllungen kompromittiert werden könnten. Außerdem ist er so stolz auf seine wiedergefundene Identität, daß ich ihn nicht überreden könnte, einen falschen Namen zu benutzen.«
    »Dann haben Sie also schon mit ihm darüber gesprochen?« fragte Don sofort. »Er würde mitmachen?«
    »Ich habe noch keine Zeit gehabt, mich mit irgendeinem meiner Patienten darüber zu unterhalten.« Sie lächelte sanft. »Schließlich haben Sie mich erst gestern angerufen. Aber ich weiß, wie intensiv die Gefühle von Paul sind: Deshalb wollte er auch unbedingt diese Woche bei der Birnbaum-Konferenz sprechen. Ich glaube, er würde alles tun, um mich in meiner Arbeit zu unterstützen, weil sie sein Leben auf so drastische Weise verändert hat.«
    »Wie kam's, daß er sich an den Namen Radbuka erinnert hat?« fragte ich. »Er wurde doch vom vierten Lebensjahr an von seinem Pflegevater aufgezogen und seiner eigentlichen Familie bereits als Kleinkind weggenommen - erinnere ich mich da richtig?«
    Rhea Wiell schüttelte den Kopf über mich. »Ich hoffe, Ihre Aufgabe besteht nicht darin, mir Fallen zu stellen, Ms. Warshawski. Wenn dem so sein sollte, müßte ich mich nach einem anderen Verlag als Envision Press umsehen. Paul hat im Schreibtisch seines Vaters - ich sollte lieber Ziehvater sagen -Papiere gefunden, die ihm den Weg zu seinem eigentlichen Namen gewiesen haben.« »Ich wollte Ihnen keine Falle stellen, Ms. Wiell. Aber es würde dem Buch mit Sicherheit nützen, wenn eine neutrale Person seine Radbuka-Identität bestätigen könnte. Möglicherweise bin ich in der Lage, das zu bewerkstelligen. Ich habe Freunde, die in den letzten Monaten vor Kriegsausbruch mit dem Kindertransport von

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