Ihr wahrer Name
Päckchen vorbeigekämpft hatte, entdeckte ich Dons der mit dem Rücken am Hintereingang lehnte. Er war so vertieft in sein Buch, daß er den Blick nicht hob, als ich neben ihm stehenblieb. Ich las den Titel auf dem Buchrücken: Hypnotische Induktion und Suggestion - eine Einführung. »Steht da drin, wie Ms. Wiell arbeitet?« fragte ich.
Er klappte das Buch mit einem Blinzeln zu. »Es steht drin, daß blockierte Erinnerungen durch Hypnose freigelegt werden können. Das behaupten zumindest die Autoren. Zum Glück muß ich nur rausfinden, ob sich ein Buch über die Wiell verkaufen läßt, und nicht, ob ihre Art der Therapie eine seriöse Grundlage hat. Ich werde dich als jemanden vorstellen, der mir hilft, die Hintergrundinformationen zu recherchieren, wenn die Wiell und mein Verleger sich einigen. Du kannst alles sagen, was du willst.«
Er warf einen Blick auf seine Uhr und fischte eine Zigarette aus seiner Brusttasche. Obwohl er heute frische Kleidung trug - ein gebügeltes Hemd ohne Krawatte und ein Tweed-Sakko -, wirkte er immer noch verschlafen. Ich nahm das Buch über hypnotische Induktion, während Don seine Zigarette anzündete. Generell ausgedrückt, schien man die Hypnose auf zweierlei Art einzusetzen: Die suggestive Hypnose half Menschen dabei, schlechte Angewohnheiten abzulegen, und die Hypnoseanalyse erleichterte das Auftauchen verdrängter Gedächtnisinhalte und Assoziationen. Die Wiedererlangung von Erinnerungen machte jedoch nur einen kleinen Teil der Verwendungszwecke von Hypnose in der Therapie aus.
Don strich das glühende Ende seiner Zigarette ab und steckte den Stummel in seine Tasche. »Zeit zu gehen, Ms. Warshawski.«
Ich folgte ihm in das Gebäude. »Dieses Buch könnte dir helfen, endlich deine kostspielige Sucht loszuwerden.«
Er streckte mir die Zunge heraus. »Ich wüßte doch gar nicht, was ich mit meinen Händen anfangen sollte, wenn ich aufhöre.«
Hinter einem Zeitungskiosk im Erdgeschoß traten wir in eine dunkle Nische, in der sich die Aufzüge zu den Bürogeschossen befanden. Das Arrangement war so diskret, daß sich nur selten einer der Kauflustigen hierher verirrte. Ich warf einen Blick auf das Schild mit den Namen der Mieter: ein Schönheitschirurg, ein Endodont ist, ein Kosmetiksalon, ja, sogar eine Synagoge. Was für eine merkwürdige Kombination.
»Ich habe in der Jane Addams School angerufen, genau wie du gesagt hast«, meinte Don plötzlich, als wir allein im Aufzug standen. »Zuerst habe ich dort niemanden auftreiben können, der die Wiell gekannt hätte - sie hat ihren Abschluß immerhin schon vor fünfzehn Jahren gemacht. Aber als ich die Sache mit der Hypnosetherapie erwähnt habe, hat sich die Institutssekretärin erinnert. Die Wiell war damals verheiratet und hat den Namen ihres Mannes verwendet.« Wir traten aus dem Aufzug und befanden uns nun an einem Punkt, an dem vier lange Flure aufeinandertrafen. »Was haben sie in der University of Illinois über sie gesagt?« fragte ich.
Er warf einen Blick in seinen Terminkalender. »Ich glaube, wir müssen hier lang. Es war von Neid die Rede, davon, daß sie eine Scharlatanin ist, aber als ich weiter nachgebohrt habe, hat sich rausgestellt, daß das mit dem Reichtum zu tun hat, den sie sich durch die Sozialarbeit erworben hat. Allzuoft passiert das wahrscheinlich nicht.«
Wir blieben vor einer hellen Tür mit Rhea Wiells Namen und Berufsbezeichnung stehen. Ich bekam eine Gänsehaut bei der Vorstellung, daß die Frau möglicherweise meine Gedanken lesen konnte. Vielleicht kannte sie mich besser als ich mich selbst. War dies der Grund, warum der Mensch sich durch Hypnose beeinflussen ließ? Weil er sich wünschte, daß jemand ihn ganz und gar verstand?
Nachdem Don die Tür geöffnet hatte, traten wir in einen winzigen Vorraum mit zwei geschlossenen Türen und einer dritten, die geöffnet war. Diese führte in ein Wartezimmer, wo ein Schild uns sagte, wir sollten uns setzen und uns entspannen. Darunter stand, man solle alle Handys und Piepser ausschalten. Don und ich holten artig unsere Telefone heraus. Er schaltete seines aus, doch bei meinem war ohnehin wieder mal der Akku leer, ohne daß ich es gemerkt hatte. Das Wartezimmer war so sehr auf Behaglichkeit ausgerichtet, daß sich darin sogar eine Karaffe mit heißem Wasser sowie eine Auswahl von Kräutertees befanden. Dazu klimperte leise New-Age-Musik, und die tiefen Sessel standen vor einem fast ein Meter fünfzig hohen, in die Wand eingelassenen Aquarium. Die Fische
Weitere Kostenlose Bücher