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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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unterbrechen läßt.
    »Was ist los mit Lotty?« fragte ich, als er und Mrs. Squires fertig waren.
    »Äch, die hat nur wieder einen ihrer Jähzornsanfälle. Darauf würde ich gar nicht achten«, sagte er obenhin.
    »Es geht doch nicht um die Geschichte mit Radbuka, oder?« fragte ich mit gerunzelter Stirn. »Opa, Opa«, rief Calia, »ich bin die ganze Zeit still gewesen, aber Tante Vicory und Mommy haben geredet, und dann war Tante Vicory ganz unartig. Sie hat mich am Bauch gedrückt, als sie mich die Treppe runtergetragen hat.«
    »Das ist ja schlimm, Püppchen«, murmelte Max, strich ihr übers Haar und meinte zu mir: »Lotty und ich haben uns darauf geeinigt, unsere Auseinandersetzung aus dem Fest herauszuhalten. Ich habe nicht vor, diese Abmachung zu verletzen.«
    Einer der Kellner führte eine junge Frau in Jeans in die Küche. Max stellte sie uns als Lindsey vor, eine Studentin aus der Gegend, die sich während der Party mit den Kindern beschäftigen würde. Als ich Calia vorschlug, sie nach oben zu begleiten, um ihr beim Anziehen ihrer Spielkleidung zu helfen, erklärte sie mir voller Verachtung, es handle sich um einen förmlichen Anlaß, also müsse sie ihr Partykleid anbehalten, aber immerhin konnte ich sie dazu überreden, daß sie mit Lindsey in den Garten ging.
    Lotty rauschte in die Küche, begrüßte Morrell und mich mit einem majestätischen Nicken und sagte uns, sie werde sich jetzt umziehen. Ihr herrisches Gehabe war mir um etliches lieber als ihr gequälter Gesichtsausdruck der letzten Tage. Als dann die ersten Gäste eintrafen, erschien sie mit einer purpurroten Seidenjacke und einem langen Rock. Don Strzepek kam zu Fuß von Morrells Wohnung herüber und trug diesmal sogar ein gebügeltes Hemd - Max hatte sich sofort bereit erklärt, Morrells alten Freund ebenfalls einzuladen. Die Musiker erreichten das Haus alle gemeinsam. Drei oder vier von ihnen hatten Kinder in Calias Alter; die fröhliche Lindsey packte sie alle und verschwand mit ihnen nach oben, um Videos anzuschauen und Pizza zu essen. Carl hatte seinen Frack aus- und einen weichen Pullover sowie eine Hose angezogen. Seine Augen leuchteten vor Freude über seinen Erfolg, seine Musik, seine Freunde; er brachte die Party mit seiner Ausstrahlung sofort in Schwung. Sogar Lotty entspannte sich und lachte in einer Ecke mit dem Bassisten des Cellini-Ensembles.
    Ich unterhielt mich mit Michael Loewenthals erstem Cellolehrer über die Chicagoer Architektur. Bei Wein und kleinen Polentahappen mit Ziegenkäse erklärte der Manager des Ensembles, die gegenwärtige antiamerikanische Stimmung in Frankreich ließe sich mit dem Römerhaß im alten Gallien vergleichen. Neben dem Piano war Morrell in eine politische Diskussion vertieft, wie er sie liebt. Schon bald vergaßen wir, daß wir eigentlich früh hatten gehen wollen. So gegen neun, als die anderen Gäste sich zum Essen in den hinteren Teil des Hauses zurückgezogen hatten, klingelte es. Ich hatte mir im Wintergarten Rosa Ponselles »L'amerd, sarö costante« angehört. Das war eine der Lieblingsarien meiner Mutter gewesen. Es klingelte noch einmal, als ich den Flur überquerte, um mich wieder zu den anderen zu gesellen -offenbar waren die Kellner zu sehr mit dem Servieren beschäftigt, um sich darum zu kümmern. Also ging ich zu der schweren Doppelglastür.
    Als ich den Mann an der Schwelle sah, holte ich vor Überraschung tief Luft. Seine lockigen Haare wurden an den Schläfen schon schütter, aber trotz der grauen Strähnen und der Falten um seinen Mund hatte sein Gesicht etwas Kindliches. Auf den Bildern, die ich von ihm gesehen hatte, war der Ausdruck darauf gequält gewesen, doch trotz des schüchtern-erwartungsvollen Lächelns, mit dem der Mann mich jetzt begrüßte, fiel es mir nicht schwer, Paul Radbuka zu erkennen.

16
    Kontaktschwierigkeiten
    Er sah sich nervös im Flur um, als sei er ein wenig zu früh dran für ein Vorsprechen. »Sind Sie Mrs. Loewenthal? Oder ihre Tochter?«
    »Mr. Radbuka - oder sollte ich lieber Mr. Ulf sagen? -, wer hat Sie hierher eingeladen?« War er der Grund für den Streit zwischen Lotty und Max gewesen? Hatte Max die Adresse des Mannes herausgefunden und ihn eingeladen, solange Carl noch in der Stadt war, und Lotty hatte dann in ihrer Angst vor der Vergangenheit energisch widersprochen?
    »Nein, nein, mein Name ist nie Ulf gewesen; das war der Mann, der sich als mein Vater ausgegeben hat. Ich heiße Paul Radbuka. Sind Sie eine von meinen neuen Verwandten?«

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