Ihr wahrer Name
weiter. Er wird dann so bald wie möglich ein Treffen mit Ihnen vereinbaren, aber diese Konfrontation in der Öffentlichkeit - welchen Empfang würde er Ihnen da wohl Ihrer Meinung nach bereiten?« Ich versuchte, meine Sorge und Bestürzung hinter einem salbungsvollen Lächeln zu verbergen, wie ich es bei Rhea Wiell gesehen hatte.
»Den gleichen Empfang, den ich ihm bereiten werde - die herzliche Umarmung eines Überlebenden der Vergangenheit für den anderen. Sie können das nicht verstehen.« »Was verstehen?« fragte plötzlich Max, der mit der Oboistin des Ensembles zu ihnen getreten war. »Victoria, ist das ein Gast, den ich kennen sollte?«
»Bist du Max?« Radbuka schob mich beiseite und ergriff freudestrahlend die Hand von Max. »Ach, wenn ich nur Worte hätte, um auszudrücken, wieviel diese Begegnung mir bedeutet. Daß ich endlich meinen Cousin begrüßen kann. Max. Max.«
Max sah zuerst Radbuka und dann mich mit der gleichen Verwirrung an, die auch ich empfand. »Tut mir leid, ich kenn... ach, Sie... Victoria, ist das dein Werk?«
»Nein, ganz allein meines«, rief Radbuka voller Freude aus. »Victoria hat deinen Namen Rhea gegenüber erwähnt, und ich wußte, daß du mein Cousin sein mußt, entweder du oder dein Freund. Warum sonst würde Victoria alles daransetzen, dich abzuschotten?«
Radbuka paßte sich wirklich schnell den Gegebenheiten an: Als er gekommen war, hatte er meinen Namen noch nicht gekannt; jetzt war ich plötzlich Victoria. Außerdem ging er wie ein Kind davon aus, daß die Menschen in seiner speziellen Welt ähnlich wie Rhea alle Leute kannten, mit denen er sprach.
»Aber wieso war überhaupt die Rede von mir bei dieser Therapeutin?« fragte Max. Mittlerweile standen ein paar Leute um uns herum, darunter auch Don Strzepek, der nun einen Schritt vortrat. »Ich fürchte, daran bin ich schuld, Mr. Loewenthal - ich habe Ihren Vornamen erwähnt, und Rhea Wiell hat sofort erraten, daß Sie es sind, weil Sie an der Birnbaum-Konferenz teilgenommen haben.«
Ich machte eine hilflose Geste. »Ich habe Mr. Radbuka... vorgeschlagen, daß wir uns unter vier Augen über die Angelegenheit unterhalten könnten.«
»Ein guter Gedanke. Lassen Sie sich doch von Ms. Warshawski etwas zu essen geben und gehen Sie mit ihr hinauf in mein Arbeitszimmer, wo ich mich vielleicht in einer Stunde zu Ihnen gesellen kann.« Max hatte die Begegnung genauso aus dem Gleichgewicht gebracht wie mich, aber er gab sich Mühe, die Situation mit Stil zu bewältigen.
Paul lachte, dabei wippte sein Kopf auf und ab. »Ich weiß, ich weiß. Rhea hat schon gesagt, daß du dich in der Öffentlichkeit wahrscheinlich zurückhaltend gibst. Aber wirklich, du brauchst keine Angst zu haben - ich habe nicht vor, dich um Geld zu bitten oder etwas Ähnliches. Der Mann, der sich als mein Vater ausgegeben hat, hat mir genug hinterlassen. Aber da das Geld von unmenschlichen Taten herrührt, sollte ich es vielleicht nicht nehmen. Obwohl er nicht in der Lage war, sich emotional auf mich einzulassen, hat er immerhin versucht, mich finanziell zu entschädigen.«
»Sie sind mit falschen Erwartungen hierhergekommen, Mr. Radbuka. Ich versichere Ihnen, ich bin nicht mit der Radbuka-Familie verwandt.«
»Schämst du dich?« platzte es aus Paul heraus. »Ich möchte dich nicht in Verlegenheit bringen, sondern nur endlich meine Familie finden, um so viel wie möglich über meine Vergangenheit und mein Leben vor Terezin zu erfahren.«
»Das wenige, was ich weiß, werde ich Ihnen ein andermal sagen. Wenn ich Zeit habe, mich um Sie zu kümmern.« Max legte die Hand unter Paul Radbukas Ellbogen und versuchte vergeblich, ihn zur Tür zu schieben. »Und Sie können mir dann das erzählen, was Sie über sich selbst wissen. Geben Sie Ms. Warshawski Ihre Telefonnummer, dann setze ich mich mit Ihnen in Verbindung. Morgen, das verspreche ich Ihnen.« Radbukas Gesicht fiel in sich zusammen, wie bei einem Kind, das gleich zu weinen anfängt. Er wiederholte, er wolle keine Minute länger warten. »Und morgen ist dein Musikerfreund nicht mehr da. Was, wenn er mein Cousin ist - wie soll ich ihn dann je wiederfinden?« »Begreifen Sie denn nicht«, sagte Max hilflos, »dieses ziellose Herumstochern ohne wirkliche Informationen macht alles nur noch schwerer für Sie und mich. Bitte. Gehen Sie mit Ms. Warshawski nach oben und unterhalten Sie sich dort in aller Ruhe mit ihr. Oder geben Sie ihr Ihre Telefonnummer, und kehren Sie nach Hause zurück.«
»Aber ich bin
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